Was trennt uns wirklich?
Ein Essay über das Gemeinsame, das Trennende, politische Unterschiede und die Frage, ob unsere Spaltungen tiefer gehen, als sie müssten
In einem Austausch, den ich kürzlich mit
das Glück hatte erleben zu dürfen,1 kam die Frage auf, ob Menschen mit verschiedenen politischen (man könnte aber auch andere Adjektive einsetzen) Ansichten sich eigentlich einig seien, was die zugrundeliegenden Werte betrifft, oder ob sich dieser Unterschied an der Oberfläche tief bis ins Fundament unserer Weltanschauung zieht.Salopp gesprochen: Haben ein AfDler, ein FDPler, ein Linker und ich eigentlich mehr oder weniger die gleichen Werte, oder nicht? Und wenn ja, wie kann es dann sein, dass wir zu so divergenten politischen Ansichten kommen? Und wenn nein, wie können wir uns dann trotzdem auf irgendetwas verständigen? Können wir das dann überhaupt?
I. Unterschiede als Oberflächenphänomene
Ich möchte zunächst die These stark machen, dass sich die zugrundeliegenden Werte gar nicht so sehr voneinander unterscheiden.2 Diese These ist mir sympathisch, weil sie die Spaltung in unserer Gesellschaft als behebbares Oberflächenphänomen ansieht.
Anscheinend ist sie aber vielen unsympathisch. Ich nehme an, weil sie nicht zulassen wollen, dass sie mit einem AfDler (für manche: ein schlimmer Nazi oder Neo-Faschist oder Adolf-Hitler-Fan) irgendetwas gemein haben könnten; oder anders herum, mit einer Linken (für manche: ein links-versifftes wokes Depri-Opfer der Bildungskatastrophe) oder Grünen (für manche: selbst-verliebt-arrogante Öko-Faschisten mit Hang zum Fetisch (früher Pädophilie, jetzt Militarisierung)).3
Aber als erste Plausibilisierung der These, dass die zugrundeliegenden Werte recht ähnlich sein müssten, könnte man — werde ich — anführen, dass wir uns rein biologisch-psychologisch nur in Maßen unterscheiden können.
Unsere gemeinsamen Bedürfnisse
Wir müssen alle atmen, wir brauchen alle Nahrung, wir haben die gleichen Nähe-Bindungs-Bedürfnisse, wir halten es für sinnvoll, uns politisch zu engagieren, d.h. wir sind diesbezüglich nicht zynisch und schon gar nicht nihilistisch unterwegs, auch wenn die verschiedenen Lager das einander gerne vorwerfen.
Zudem vermute ich stark, dass wir alle gerne in Frieden leben wollen, unser Eigentum sicher sehen wollen (unabhängig davon, wie es verteilt sein sollte), unsere Kinder glücklich aufwachsen sehen wollen. Wir alle wollen gesund bleiben, wir wollen gut mit unseren Mitmenschen auskommen, insbesondere denen, die wir sowieso nicht vermeiden können, den Nachbarn, der Familie, den Kollegen. Wir wollen so sein dürfen, wie wir sind, das auch zeigen dürfen, und wir wollen uns entwickeln dürfen.
Und so weiter. Ich denke, dass die allermeisten grundsätzlich diese Bedürfnisse auch ihren Mitmenschen zugestehen, und bereit sind, entsprechend ihre eigene Freiheit einzuschränken, um Rücksicht auf die anderen zu nehmen. Und daraus folgern ziemlich unmittelbar die klassischen liberalen Werte.
Woher die Unterschiede?
Auf die Frage, wieso es trotzdem zu so unterschiedlichen Ansichten darüber kommt, wie diese Werte politisch umzusetzen seien, fallen mir spontan ein paar Antworten ein:4
Unterschiedliche Gewichtung der Werte untereinander
Eine offensichtliche Dimension ist die Freiheit des Individuums vs. Gemeinschaftsssinn, also politisch gesprochen die libertäre Idee vs. die kommunitäre (mit dem Liberalismus irgendwo dazwischen). Es gibt weitere Dimensionen, bspw. langfristige vs. kurzfristige Perspektive, anthropozentrisch vs. "gaia/kosmozentrisch”, etc.
Unterschiedliche Realitätswahrnehmung
Damit meine ich, dass ein und der selbe Sachverhalt von verschiedenen Menschen je nach Weltbild sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Für die einen sind es zum Beispiel vor allem Männer, die Frauen Gewalt antun, für die anderen sind es Ausländer, für wieder andere Psychisch Kranke. Da wir einen Großteil unserer gesellschaftlichen Realität medienvermittelt interpretieren, können die Unterschiede in der Wahrnehmung enorm anwachsen.
Lineares vs. Systemisches Denken
Die meisten Menschen vernachlässigen, welche nicht-intendierten Effekte eine von ihnen gewünschte Änderung im gesellschaftlichen Gefüge auslösen könnte, und wirken daher für diejenigen, die dies tun, naiv. Zum Beispiel klingt so etwas wie affirmative action linear betrachtet erstmal gut. Wenn sich aber herausstellt, dass sie Rassismus befördert, dann ist dies genau so eine nicht intendierte, aber zu erwartende systemische Folge der Maßnahme.
Prinzipielles vs. pragmatisches Denken
Dies ist ähnlich wie 3., aber doch noch einmal etwas Anderes:
Pragmatisches Denken sucht nach Lösungen, die “funktionieren” — insofern präsentieren sich CDU und SPD gerne als pragmatische Parteien, und wirken dafür dann auch oft prinzipienlos — ob die Maßnahme intrinsisch wünschenswert ist, scheint irrelevant, solange sie funktioniert.
Prinzipielles Denken tendiert hingegen dazu, die Umsetzbarkeit einer Maßnahme nicht als relevantes Kriterium zu betrachten, oder anders formuliert, nach der Prämisse zu agieren: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
Das sich Hineinsteigern in die Polaritäten:
Wir können dies im Wahlkampf beobachten. Um sich zu profilieren, geben sich Parteien, bzw. ihre Sprecher, sehr viel radikaler, als sie in Wahrheit dann zu handeln gedenken.
Aktuelles Beispiel: die CDU, bei der dies schon an das Brechen von Wahlversprechen grenzt, oder diese Grenze vielleicht auch überschreitet — wobei ich mich nach wie vor frage, ob es den Wählern der CDU nicht doch auch bewusst war, dass das halt Wahlkampf-Gerede war, und dass die CDU-Wähler vielleicht nicht allzu enttäuscht sind.
Ich denke, dass wir es aber auch in der AfD beobachten können. Nämlich: dass die Ausgrenzung, also die vielbemühte “Brandmauer”, zu einer Radikalisierung führt, erstens um den inneren Zusammenhalt in der AfD (wir gegen alle anderen) zu stärken, dann aber auch als Reaktanz-Mechanismus (jetzt erst recht), und zuletzt auch, weil die AfD — der Regierungsverantwortung bar — sich nicht der Realität des Machbaren stellen muss, was andernfalls automatisch zu einem stärkeren Pragmatismus führte (wie Donald Trump, der seine Mauer nicht gebaut bekam, trotz durchaus “beachtlicher” Teilerfolge5).
II. Polare Positionen — zum Beispiel das Geschlecht
Dieses Sich-Hineinsteigern-In-Die-Polaritäten möchte ich noch ein wenig weiter betrachten, denn ich halte es für das Problem unserer politisch-gesellschaftlichen Kultur. Betrachtet wir hierzu ein weiteres, selbstverständlich kontroverses Beispiel: die Frage nach den Geschlechtern. Uns begegnen hier in der Hauptsache zwei konträre Meinungen:
Es gibt exakt zwei Geschlechter, männlich und weiblich, jeder Mensch lässt sich problemlos einem dieser beiden zuordnen, und wer sich nicht zuordnen will, oder falsch zuordnet, hat ein psychisches Problem, ist mithin behandlungs- und heilungsbedürftig, jedenfalls nicht normal, und wer das anders sieht, ist pervers und muss bekämpft werden.
Es gibt unbestimmbar viele Geschlechter, mindestens aber drei, und es ist normal, dass sich Menschen weder exakt einem Geschlecht zuordnen lassen und dies auch gar nicht wollen, mithin kann und soll sogar jeder selbst entscheiden, welches Geschlecht er hat, ob überhaupt eines, und diejenigen, die das anders sehen, haben ein psychisches Problem, sind behandlungs- und heilungsbedürftig, und wer das anders sieht, ist pervers und muss bekämpft werden.
Es fällt sofort die strukturelle Ähnlichkeit dieser beiden Positionen auf, nur dass sie inhaltlich jeweils das Gegenteil des Anderen fordern. Von außen betrachtet drängt sich einem schnell die Vermutung auf, dass beide Positionen ihre Energie aus der jeweils anderen beziehen, sie insofern voneinander abhängig sind, und beide ihre Plausibilität für ihre Anhänger vor allem daraus beziehen, wie falsch die jeweils andere ihnen vorkommt.
Unlogisch sind meines Erachtens beide Positionen aufgrund ihres Mangels an Differenziertheit. Das spiegelt sich bereits auf der sprachlichen Ebene wieder. Betrachten wir die kursiv markierten Begriffe genauer, dann fällt auf, dass sie alle nicht unproblematisch sind.
a) “Geschlecht”
Das Wort “Geschlecht” übersetzt sich im Englischen in “sex” oder “gender”, also biologisches Geschlecht und so etwas wie Geschlechterrolle, also die gesellschaftlichen Erwartungen an eine Person, die einem Geschlecht zugeordnet wird. (Eine Frau/Ein Mann verhält sich so und so…)6
Nun “gibt”7 es traditionell sowohl zwei biologische Geschlechter als auch daran geknüpfte Rollenerwartungen. Es gibt und gab aber auch schon immer die Idee des Zwitterwesens oder Hermaphroditen, wobei dieses nicht als drittes biologisches Geschlecht neben männlich und weiblich gesehen wurde, sondern als zweigeschlechtliches Wesen: männlich und weiblich. Und es gibt und gab schon immer die Idee der biologischen Geschlechtslosigkeit: weder männlich noch weiblich.
Geschlechterrollen im sozialen Wandel
Desgleichen lässt sich beobachten, dass die Geschlechterrollen (wie alles, wie wir seit Heraklit wissen) im Fluss sind, dem gesellschaftlichen Wandel entsprechend, und dass bspw. heutzutage in Deutschland von einer Frau eher erwartet wird, arbeiten zu gehen, als zu Hause zu bleiben und sich um Haushalt und Kinder zu kümmern.
Insofern nähern sich die Erwartungshaltung an Männer und Frauen aneinander an, d.h. die Unterschiede werden geringer und geringer fundamental konzeptualisiert.8 Sie verschwinden allerdings nicht, und es bleibt dabei, dass die meisten Menschen die binäre Konzeption haben: männlich, weiblich, beides, oder nichts von beidem.
Wie aller gesellschaftlicher Wandel hat das verschiedenste Effekte, von denen wir manche als positiv, andere als negativ beurteilen werden, je nachdem, wie wir selbst gestimmt sind. Darüber lässt sich famos diskutieren, debattieren, radotieren, oder dialogisieren. Das wird in aller Regel nichts daran ändern, dass der Wandel stattfindet, aber in Nuancen lässt er sich womöglich durch bewusste Entscheidungen beeinflussen.9
Was heißt das alles nun für den Gebrauch des Wortes “Geschlecht”?
Erstens muss klar genug sein, wie wir den Begriff verstehen, und dass die beiden Bedeutungen “sex” und “gender” nicht unabhängig voneinander sind, denn ohne “sex” gäbe es kein “gender” und ohne “gender” wäre “sex” irrelevant.
Zweitens muss klar genug sein, dass diese Begriffe, und auch unser Gebrauch der Begriffe, nichts Absolutes hat. Das heißt, es geht nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine normative Entscheidung, wie wir den Begriff gebrauchen wollen. Nichts hindert uns daran, auch nicht in der Biologie, von mehr als zwei Geschlechtern zu sprechen. Nichts zwingt uns. Die Frage wird somit pragmatisch: Welchen Mehrwert hätte es, welchen Nutzen? Nicht: Welche der beiden Positionen hat die Wahrheit auf ihrer Seite?
b) “Normal”
— oder: “Ein normales Bier für mich, denn ich bin normal.”10
Auch dieses Wort hat zwei mögliche, miteinander eng verknüpfte Bedeutungsebenen, die nicht ausreichend auseinander differenziert werden.
Normal ist auf der deskriptiven Ebene das, was in einer nicht näher bestimmten Mehrheit der Fälle vorkommt. Normalerweise hat ein Mensch zwei Beine, zwei Arme, zwei Augen, zwei Ohren, eine Nase und einen Mund. Normalerweise wiegt das Gehirn eines erwachsenen Menschen ca. 3 Kilogramm. Normalerweise kümmern sich Eltern um ihre Kinder. Normalerweise bezahlt man seinen Einkauf an der Kasse. Etc.
Damit eng verknüpft ist dann traditionell ein normativer Anspruch: Es ist gut so, wie es normalerweise ist, und darum sollte man danach streben, normal zu sein: Man sollte als Mensch zwei Beine etc. haben. Man sollte ein Gehirn haben, das 3 Kilo wiegt.11 Man sollte sich um seine Kinder kümmern. Man sollte seinen Einkauf an der Kasse bezahlen. Etc.
Diese Verknüpfung ist nachvollziehbar, weil sie Ordnung ins Chaos des Möglichkeitsraums bringt. Sie wird aber immer dann aufgebrochen, wenn Kritik an bestehenden Zuständen geäußert wird, wenn also gesellschaftlicher Wandel nicht nur stattfindet, sondern auch angestrebt wird.12
Historische Beispiele
So ist es im 19. Jahrhundert dazu gekommen, dass es zwar plötzlich noch normal im deskriptiven Sinn war, Sklaven zu besitzen, aber nicht mehr im normativen Sinn.
Und nach dem zweiten Weltkrieg ist es in den Westlichen Ländern bis heute noch normal gewesen, verheiratet zu sein, wenn man zusammenleben und Kinder in die Welt setzen wollte, aber immer weniger im normativen Sinne.
So wie es auch normal ist, wenn man Kinder hat und verheiratet ist, es auch zu bleiben, aber auch dies immer weniger im normativen Sinne.
Typischerweise folgt auf das Verschwinden des normativen Normalen auch das Verschwinden des Deskriptiven. Heute ist es auch im deskriptiven Sinne nicht mehr normal, Sklaven zu halten. Und es ist auch im deskriptiven Sinne immer weniger normal, verheiratet zu sein und es zu bleiben.
Es lässt sich aber beobachten, dass das neue deskriptive Normal dann auch normative Züge annimmt, je nach Fall schneller oder langsamer. Es ist auch normativ normal, keine Sklaven zu halten. Es ist heute in manchen Subkulturen bereits verpönt, zu heiraten. Und sollte der Fall eintreten, dass 90% der Ehen wieder geschieden werden, könnte man sich vorstellen, dass es anrüchig wird, wenn man sich niemals hat scheiden lassen.
Anthropologische Betrachtungen
Wir Menschen sind so. Wir wollen, dass es normal zugeht und die, die in unseren Augen nicht deskriptiv normal genug sind, sind uns suspekt, weshalb es uns lieber wäre (normativ), sie wären normal.
Das hat zum Teil ganz pragmatische Gründe. Ich kann nur dem Normalen gegenüber meine Interaktionen ritualisieren, das heißt, ohne längeres Nachdenken den anderen genau so behandeln, wie er (und/oder die Kultur) es will. Und wenn ich zu viele Tätigkeiten meines Lebens nicht automatisch-rituell abspulen kann, überfordert mich dies und stresst mein Nervensystem. Ich komme nicht zur Ruhe.
In diesem Sinne kann es also nicht normal sein oder werden, wenn alle ganz unterschiedlich sind. Die oberflächlichen Unterschiede, die man feiern mag, verbergen nur eine zugrundeliegende Anschauung, in der man sich wiederum uniform einig ist, sodass es nicht zu Stress und Frustration kommt.13
Nur in den Bereichen, die für unser Interagieren mit anderen Personen irrelevant sind, können wir dem Nicht-Normalen gegenüber langfristig tolerant sein. Wer ein tolerantes und pluralistisches Miteinander anstrebt, also gesellschaftlichen Frieden, wie ich dies tue, müsste demnach, wenn ich Recht habe, versuchen, die Relevanz unserer Unterschiede für unsere Interaktion zu minimieren.
Farbenlehren
Zum Beispiel. Die Augenfarbe anderer Menschen spielt für meine Interaktionen mit ihnen meines Wissens, also zumindest bewusst, keine Rolle.
Alle Augenfarben sind schön, und niemand behauptet, oder hat behauptet, dass eine Augenfarbe den Menschen wertvoller mache als andere. (Aber: in Ländern, wo eine bestimmte Augenfarbe deskriptiv normal ist, wird eine andere immer wahrgenommen (und ggf. bewundert, oder, denkbar, angefeindet) werden.) Das heißt, es wird von mir nicht erwartet, dass ich aus der Augenfarbe etwas über die Anforderungen an mich in meiner Interaktion mit der anderen Person herauslese.
Ich denke an dieses Beispiel, weil der Fantasy-Bestseller-Autor Brandon Sanderson in seiner Stormlight Archive - Saga eine Welt erschaffen hat, in der das wichtigste Kriterium für die Interaktionen mit anderen Menschen eben ihre Augenfarbe ist, die die Menschen in zwei Kasten teilt: Lighteyes und Darkeyes, die sich gegenseitig hassen und verachten.
Und offensichtlich transponiert er damit den Diskurs der Neuzeit über die menschlichen Hautfarben, der dafür sorgt, dass sich das, was ich über Augenfarben gesagt habe, nicht nahtlos in ein Sprechen über Hautfarben übersetzen lässt.
Denn: Es sind zwar alle Hautfarben schön, aber leider wurde wirkmächtig behauptet, und somit zur sozialen Realität gemacht, dass eine Hautfarbe den Menschen wertvoller mache als andere. Und weil diese Behauptung zu recht nicht als restlos überwunden gilt, wird von mir — teils vielleicht sogar unbewusst — erwartet, dass ich aus der Hautfarbe etwas über die Anforderungen an mich in meiner Interaktion mit der anderen Person herauslese.
Und dies sogar in zweifacher Weise. Denn erstens wird möglicherweise aus der Erwartungshaltung, dass ich zumindest latent rassistisch sein könnte, deskriptiv von mir erwartet, etwas Rassistisches zu sagen oder zu meinen oder zu denken. Und zweitens wird normativ von mir das Gegenteil erwartet.
Scheiternde Lösungsansätze
Und der Stress, den dies in allen Beteiligten erzeugt, erklärt meines Erachtens am Besten, warum wohlmeinende Menschen unbedingt einen Interaktionsrahmen schaffen wollen, der Beleidigungen und Verletzungen schon methodisch ausschließt. Ich halte dieses Ziel aber für illusorisch, insbesondere wenn dem methodisch zugrunde liegt, nach Beleidigungen und Verletzungen im Verhalten des anderen aktiv zu suchen.14
Umgekehrt wird so auch nachvollziehbar, dass sozusagen “die andere Seite” gerne nach Möglichkeit zu fest ritualisierten Umgangsmöglichkeiten zurückkehren möchte. In Bezug auf den Geschlechter-Diskurs: dass es klar ersichtlich ist, welchem Geschlecht mein Gegenüber angehört und dass es ebenso klar ist, wie ich mich demzufolge zu verhalten habe.
Ebenso stabil — und damit pragmatisch gelungen — wäre es, wenn man einfach alle Menschen vollkommen gleich behandeln könnte, aber das wollen die Menschen ja nun einmal mehrheitlich auch nicht.15
c) “Psychisches Problem”
Ich möchte diesen Punkt sehr kurz halten, verweise aber auf meines Erachtens lesenswerte Artikel zu diesem Thema von Scott Alexander auf Astral Codex Ten.
Was als psychische Erkrankung gilt und was nicht, ist zumindest teilweise kulturell bedingt, genauso wie die Frage, ob es das Konzept überhaupt gibt. In der Regel wird diesem Umstand auch damit Rechnung getragen, dass man psychische Erkrankungen funktionell darüber definiert, ob das Phänomen den betroffenen Menschen belastet bis hin zu “nicht funktionieren” lässt.
Homosexualität
Wobei auch diese funktionale Einordnung widerrum den kulturellen Raum mitdenken muss. Als Beispiel könnten wir Homosexualität nehmen. Lange Zeit galt sie als psychische Erkrankung, und wurde gerade deshalb zur psychischen Belastung für den Homosexuellen. In einer Gesellschaft, die Homosexualität nicht ablehnt, ist die Belastung drastisch geringer.16
Gleichzeitig kann eine deskriptiv normale Gesellschaft nicht wollen, dass Homosexualität normativ normal wird, denn eine solche Gesellschaft müsste mangels Fortpflanzung rasch aussterben.17 Wir können hier aber sehen, weil wir diese Lösung, denke ich, schon recht gut implementiert haben, dass wir problemlos das Schwarz-Weiß-Denken verlassen können: Homosexualität muss nicht entweder normativ normal oder anormal sein, sie kann auch einfach neutral sein, wie die Augenfarbe, für meine Bewertung der Person und für meine Interaktion mit der Person irrelevant.18
Wobei natürlich darüber gestritten werden kann — und ein Stück weit auch muss —, ob die sexuelle Orientierung der anderen Person für meine Interaktionen mit ihr überhaupt irrelevant sein kann. Formulieren wir es also vorsichtiger zu: in einem möglichst hohen Grade irrelevant. (So wie es ja doch auch sein kann, fiktives Beispiel, dass ich z.B. braune Augen einfach schöner finde als blaue, und insofern lieber mit Braunäugigen anbändle als mit Blauäugigen.)
Unbequemerweise multiplizieren sich die Schwierigkeiten, auf die wir bei den Überlegungen zur Homosexualität stoßen, bei der tiefergehenden Frage nach der Geschlechtlichkeit. Ich habe aber “null Böcke”, um Helge Schneider zu zitieren, mich auf diesen Diskurs tiefer einzulassen, und darin zeigt sich, finde ich, bereits, wie vergiftet der Diskurs zu diesem Thema ist, denn ich scheue ja wahrlich keine kontroversen Themen. Der eben bereits erwähnte Scott Alexander thematisiert die Kontroversen aber schon seit langem.
III. Versuchsweise Überwindung der Polaritäten
Zum Glück sind diese technischen Fragen aber für unsere ursprüngliche Fragestellung nicht ganz so schrecklich wichtig, nämlich wie wir aus der Polarität der beiden konträren Positionen herauskommen.19
Wagen wir einen Umformulierungsversuch, der die beiden Positionen so modifiziert, dass man die jeweils andere tolerieren kann, auch wenn man sie für falsch hält.
Wir nutzen traditionell zwei Geschlechter, männlich und weiblich, um sozial zu interagieren, und dieses Modell hat sich bewährt, auch wenn es Fälle gibt, die sich nicht zuordnen lassen, oder nicht zugeordnet werden wollen. Diese Fälle muss man zur Kenntnis nehmen und ein Auskommen (pragmatische Lösungen) finden, das alle Beteiligten bestmöglich zufriedenstellt. Weder will ich anderen aufoktroyieren,20 als was sie sich zu empfinden haben, noch lasse ich mir vorschreiben, wie und was ich aber zu dieser Frage denke und (ohne zu beleidigen) sage. Insgesamt wäre es anzustreben, da dies die einzige systemische Möglichkeit ist, die Konflikte zu beseitigen, dass die Frage nach dem Geschlecht genauso bedeutungslos wird, wie die nach der Augenfarbe.
Nichts zwingt uns, die Zahl der Geschlechter auf zwei zu begrenzen, und wir ermutigen zu dem Experiment, was mit unserer Gesellschaft passiert, wenn wir aufhören, diese Binärität als fix zu sehen. Wir erwarten dadurch eine positive Veränderung, und bieten für diese Erwartungshaltung rational nachvollziehbare Gründe, wissen können wir es erst, wenn wir es versucht haben. Wir verstehen, dass dies eine Instabilität im sozialen Gefüge erzeugt, dass deshalb anfängliche Ablehnung dieses Experiments verständlich und deskriptiv normal ist, und dass diese Ablehnung die Menschen nicht entwertet. Insgesamt wäre es anzustreben, da dies die einzige systemische Möglichkeit ist, die Konflikte zu beseitigen, dass die Frage nach dem Geschlecht genauso bedeutungslos wird, wie die nach der Augenfarbe.21
Die erste Seite müsste anerkennen, dass wir ohne soziale Experimente keine positiven Veränderungen erwarten können. Die zweite Seite müsste anerkennen, dass soziale Experimente nicht immer gut gelaufen sind, oft sogar katastrophal, und dass man eine Gesellschaft nicht zwingen sollte, ein Experiment zu wagen, dass sie aber ablehnt.22
Alle Beteiligten sollten das Verbindende zum “Gegner” suchen, nicht die Gegensätze als fundamental.23 Die Grenze zwischen Gut und Böse geht, wie Alexander Solschenizyn sehr schön festhielt, durch das Herz eines jeden Menschen. Es nur beim Anderen sehen zu wollen ist offensichtlich Projektion. Zu glauben, man habe die Wahrheit gepachtet, ist wahnhaft. Man sollte ein gesundes Gefühl dafür entwickeln, welche der eigenen Gedanken ideologisch sind und daher aufgegeben werden müssen, weil Ideologie immer zur Intoleranz, zur Verhärtung, und letztlich zum Teilen-Abwerten-Töten führt.
Man nehme den Balken im eigenen Auge wahr, nicht den Splitter im Auge des anderen.
Eigentlich überflüssig zu betonen, aber die Verantwortung für das, was ich in diesem Artikel so verzapfe, trage natürlich ich allein, sie hat nur die Frage aufgeworfen.
Ich spreche natürlich nur über den überwältigenden Anteil der Bevölkerung, der nicht psychopathisch ist. Das Problem der Psychopathie ist wichtig, wird in diesem Text aber vollkommen ausgeklammert.
Ich wähle diese drei Parteien als Beispiele, weil sie meiner Wahrnehmung nach jeweils am meisten Hass auf sich ziehen.
Dieser Absatz war in der ursprünglichen Fassung grammatikalisch unvollständig und wurde darum am 10.5.25 modifiziert. Vielen Dank an
für den Hinweis!Das Wort “spontan” ist hier einerseits eine stilistische façon de parler, soll aber vor allem auch ausdrücken, dass mit meiner Auflistung keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit behauptet wird.
Wobei wir bei Donald Trump “dank” seiner zweiten Amtszeit auch die anderen beiden Effekte erleben können: “jetzt erst recht” und “wir gegen die”.
Meine Darstellung kann natürlich nicht auf die ausgeklügelten Differenzierungen eines ganzen Studienfaches eingehen, ich denke aber, dass ich das Wesentliche korrekt herausgestellt habe. Befürworter der Unterscheidung würden “gender” vielleicht lieber mit “Geschlechtsidentität” übersetzen, aber was ist Identität anderes als die Erwartungshaltungen, die sich mit einer Zuordnung verbinden? Konstruktive Kritik ist mir immer willkommen.
Beim Korrekturlesen fiel mir auf, dass diese Formulierung (wenig wohlwollend) als metaphysische Existenzbehauptung fehlinterpretiert werden könnte, obwohl meines Erachtens aus dem Kontext ganz klar hervorgeht, dass gemeint ist: Wenn wir uns anschauen, wie in der Vergangenheit bis vor kurzem über Geschlechter gesprochen wurde, also welche Unterscheidungen der Diskurs hergab.
Ivan Illich hat ein interessantes und oft missverstandenes Buch über einen Effekt geschrieben, den diese Unterscheidungslosigkeit hat, den man im Allgemeinen wohl eher als negativ sehen wird: die Austauschbarkeit und damit Beliebigkeit des Menschen aus wirtschaftlicher Sicht zu maximieren. Und ein Dozent im Studium hat es mal auf die Formulierung gebracht, dass seiner Wahrnehmung nach, Frauen heutzutage vor allem das gleiche Recht hätten wie Männer, sich wirtschaftlich ausbeuten zu lassen. Was mit zur Zeitangst beiträgt, die Jean Gebser wortgewaltig diagnostiziert hat.
Wobei ich diese Möglichkeit langfristig betrachtet nicht als sonderlich bedeutungsvoll betrachten würde.
Zitat aus dem Film Brügge sehen und sterben.
Das Beispiel mit dem Gehirn wähle ich deshalb, weil es die sehr seltenen aber äußert faszinierenden Fälle gibt, dass Menschen ein winzig kleines Gehirn haben, das deutlich unter einem Kilo wiegt, und trotzdem ganz normal oder sogar überdurchschnittlich intelligent und funktionsfähig sein können. Was sagt uns das über die Rolle des Gehirns?
Als jemand, der selten gut findet, was normal ist, ist “normal” für mich tendenziell eher ein derogativer Begriff. Was aber nur daran liegt, dass die ganz normalen normalen Dinge in aller Regel aufgrund ihrer Normalität unser Bewusstsein nicht betreten. Korrekter müsste ich also formulieren: “Als jemand, der gerne an der Spitze des Eisberges des Normalen herummäkelt, …”
Bei Gary Snyder findet sich die Beobachtung, dass es paradoxerweise bei westlichen Menschen, die ihre persönliche Freiheit und Individualität zelebrieren, eine Ebene tiefer, im Psychischen, zu einer starken Konformität und Vermassung kommt, während die Mönche im Zen-Kloster, die alle gleich aussehen und leben, in ihrer Meditationspraxis innere Freiheit und Individualität erleben.
Im Belgischen Rundfunk meiner Kindheit gab es eine Werbung für den kurir journal, “da steht echt was drin”, die mit den Worten endete: “Ihr wisst ja, wer suchet, der findet, das gilt auch heute noch.” Faszinierend, wie manche Werbetexte sich einem in die Erinnerung gefräst haben, um ungefragt jederzeit assoziativ wieder hochzukommen. Raffaelo. Ohne Schokolade.
Wenn man ganz tief in eine philosophische Ideengeschichte einsteigen wollte, könnte man auf den Diskurs zum Wort “Gerechtigkeit” (iustitia, Δικαιοσύνη) verweisen. Gerechtigkeit ist ein verdammt gefährliches Wort, weil niemand weiß, was es wirklich bedeutet oder wie es exakt anzuwenden wäre. Meiner Vermutung nach ist Gerechtigkeit etwas, das im Irdischen nicht zu erlangen ist, eine Erinnerung daran, dass diese Welt nicht vollkommen ist und sein kann, so wie Luis Jorge Borges es in seiner “Neuen Widerlegung der Zeit” gen Ende formuliert, ich kann es nur paraphrasierend aus dem Gedächtnis wiedergeben, dass wir uns die Welt erträumt hätten, und dass wir aber Lücken hineingeträumt hätten, um uns daran zu erinnern, dass sie nicht real sei, oder so ähnlich.
Hat der moderne Westen also “entdeckt”, dass Homosexualität doch keine Psychische Erkrankung ist? Oder hat er es “beschlossen”?
Und hieße Letzteres, dass sie genau so lange eine psychische Erkrankung war, bis das Gegenteil davon beschlossen wurde? Bei diesen Fragen kommen unsere Intuitionen schnell ins Schwimmen, denn wenn wir behaupten wollen, dass Homosexualität auch schon in den 1960 Jahren keine psychische Erkrankung war, sondern nur dafür gehalten wurde, dann dürften wir nicht gleichzeitig behaupten, dass es eine rein kulturelle Frage ist, sondern dann müssten wir sagen, dass es eine empirische Wahrheit dazu festzustellen gibt. Das aber wiederum eröffnet die Möglichkeit, dass Homosexualität eben doch eine psychische Erkrankung wäre, und dass wir uns darin irren könnten, es anders zu sehen.
Wir können diesen Knoten zerschneiden, indem wir es ablehnen, die Frage überhaupt für korrekt formuliert zu halten, aber damit handeln wir uns weitere Probleme ein. (War die Sklaverei in der Antike noch in Ordnung, und erst in der Neuzeit nicht mehr?) Manchmal ist es vielleicht aber nicht das Wichtigste, logisch konsequent zu sein, sondern menschlich empathisch.
Über diesen Punkt lässt sich aufgrund der technischen Möglichkeiten heute streiten, daher sprach ich von einer deskriptiv normalen Gesellschaft, nicht von jeder denkbaren.
Es gibt aber postmoderne Diskurse, die diese Möglichkeit leugnen. Demnach sind wir gezwungen, Homosexualität (oder einer anderen historisch abgewerteten Gruppe anzugehören) entweder als etwas Erstrebenswertes oder etwas Ablehnenswertes anzusehen. Tertium non datur, sozusagen. Und um das historische Unrecht nicht zu vergrößern, sollte man daher diese Gruppen als erstrebenswert ansehen. Ich halte diese Dichotomie für offenkundig falsch und auch gefährlich.
Denn, um beim Beispiel zu bleiben, wenn wir Homosexualität als besser deklarieren als Heterosexualität, werten wir damit letztere ab, begehen also das gleiche Unrecht, nur mit umgekehrtem Vorzeichen, und — darum gefährlich — auf Dauer wird sich das eine dominante Gruppe, in diesem Fall die Heterosexuellen, nicht gefallen lassen, sondern “zurückschlagen” (backlash, double-down).
Zum Glück haben wir die eigentlich ja auch naheliegende Option, die uns das Grundgesetz, Artikel 3 lehrt.
Mir ist bewusst, dass Andere das anders sehen werden, im Sinne des Ausspruchs: Der Teufel steckt im Detail. Aber dieser Artikel ist jetzt schon eigentlich zu lang geworden. Insofern mag wer anders an dieser Stelle tiefer einsteigen. Ich werde es wohlwollend zur Kenntnis nehmen :) Siehe auch Fußnote 20.
Ein sprachsensibler Vorab-Leser wies mich darauf hin, dass aufoktroyieren eigentlich doppelt gemoppelt ist, ein Pleonasmus, denn “oktroyieren” heißt ja bereits “aufzwingen”. Ich bin aber tolerant gegenüber Pleonasmen.
Mir ist bewusst, dass dies nur ein erster (kläglicher) Versuch ist und sein kann. Weitere Versuche könnten nur dialogisch erarbeitet werden, im Austausch idealerweise mit den jeweils Andersdenkenden. Und dass noch viele Einwände und Probleme zu berücksichtigen wären, versteht sich von selbst. Mir geht es nur darum ein Denken in diese Richtung anzuregen.
Persönlich halte ich dieses soziale Experiment für zu riskant und darüber hinaus für unnötig. Denn (1) finden in dieser hyperschnelllebigen Zeit schon genug soziale Experimente ganz von alleine statt, ohne dass wir noch weitere hinzufügen; (2) überzeugen mich die Argumente für den positiven Ausgang dieses Experiments nicht und (3) halte ich das Phänomen für stark aufgebauscht, es geht um eine relativ kleine Minderheit, die man anders besser schützen kann, so denke ich, als so zu tun, als wären sie eine Mehrheit. Ich finde, dass das aber ganz nüchtern diskutiert und erwägt werden kann, oder vielmehr könnte, wenn man die Unsitte wegließe, dem anderen gleich immer niedrige Motive zu unterstellen.
Der Gegner bleibt der Gegner, wie auch der Feind im christlichen Gebot der Feindesliebe nicht der Freund wird. Er bleibt der Feind. Aber die Haltung wird eine andere. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal an das Ende der Geschichte “Die Theologen” von Luis Jorge Borges erinnern:
Ich unterscheide sehr genau zwischen Werten und Bedürfnissen, wohl wissend, dass es da sehr unterschiedliche Listen gibt in denen meiner Ansicht nach Bedürfnisse zu Werten gemacht werden.
Für Bedürfnisse sind erwachsene Menschen selbst zuständig. Punkt.
Wer seine Werte kennt und lebt, tut sich im allgemeinen sehr leicht damit, Menschen mit klaren Werten zu akzeptieren und respektieren, auch wenn sie nicht den eigenen Werten entsprechen.
Schwierig wird es, wenn Bedürfnisse anderen umgehängt werden. So nach dem Motto, ich weiß, was gut für alle ist und deshalb musst du jetzt auch [beliebiges Beispiel einsetzen]. Das wird zurecht von den Angegriffenen als Übergriffigkeit empfunden und abgewehrt.
Oder auch: Wer keine Werte hat, klammert sich an Ideologien und akzeptiert nichts, was diese Ideologie auch nur im leisesten hinterfragt.
Ich persönlich sehe keinen Sinn darin, mich mit Ideologisierten zu unterhalten. Viel lieber sind mir Menschen, die ihre Werte kennen und konstruktiv sind.
Sehr interessante Gedanken! Besonders gut gefällt mir die Betonung der Abhängigkeit von einander divergierender Positionen um sich jeweils "am Leben zu halten" das ist auch das was die diskursive soziologische Forschung zu rechtsextremismus vermuten lässt: Rechtsextremismus ist eine leere Hülle die diskursiv konstruktiert und aufgeladen wird. Die Konstitution trotz der inhaltlichen Leere ergibt sich aus dem abarbeiten an anderen Positionen. Vgl. dazu "An den Grenzen der Demokratie" von Max Makovec.
Allgemein würde ich noch die Studie von Steffen Mau et. al: Triggerpunkte empfehlen. Diese Arbeit sehr gut heraus das sich die breite Gesellschaft in den meisten Fragen prinzipiell einig zu sein scheint, sich aber über die extremen Ränder radikalisiert, was in der medialen Landschaft (aufgrund ihrer systemischen Beschaffenheit) rezipiert und damit der Wahrnehmung nach zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem gemacht wird, was dann wiederum ein 'Nachziehen' hin zu dem vorher lediglich medial verhandelten Konflikt zur Folge hat.