12 Kommentare
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Avatar von Erithacus
Aug 8Bearbeitet

Wir unterteilen in Europa gerne in Kategorien und Methoden, doch zum Leben gehört sowohl das Streben nach Freiheit als auch die Arbeit auf dem Weg dahin, welche nur durch inneren Willen, also Selbstdisziplin umgesetzt werden kann. Das Bewusstsein hierfür entwickelt sich erst später, sodass Disziplin zum lernen dazu gehört. Wann ist eine Denkaufgabe schon leicht? Und doch ist jede Überwindung eine Vokabel zu lernen, eine, die das lernen beim nächsten mal erleichtert. Lernen macht lernen leichter. Das ist neurologisch klar. Die Schwelle zur Überwindung muss also niedrig gestaltet sein, wie beschrieben und trotzdem muss äußerliche Bedeutung bestehen die später zu Selbstdisziplin wird, die der verantwortungsvolle Mensch hat. Der Mensch, der aus einem Streben nach Freiheit versucht auf allen Gebieten sich selbst zum besten Menschen machen möchte der er sein kann. Nur der spezialisierte, analytische mensch versteift sich auf eine Kategorie. Allgemeinbildung, wie sie früher an Gymnasien von den „Oberstudienräten“ vermittelt wurde, wo jedes Goethe Zitat eine Denkweise schulte, die im Zusammenhang zum Leben stand ist anders als das heutige Lesen, der Lektüren-Zusammenfassung, um dann ein paar Stichworte zu vergessen.

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Avatar von Conrad Knittel

Amen, Bruder :) Oder Schwester? Ich sehe, Du schreibst poetisch? Würde mich freuen, da noch mehr von zu lesen.

Kurze Rückfrage: Die Formulierung "in Europa" impliziert ein Woanders. Denkst du an ein konkretes Woanders? Die letzten paar Sätze implizieren dagegen ein Wannanders. Das muss vor meiner Zeit gewesen sein, denn zu meiner Schulzeit (1994-2007) gab es schon keine Goethe-Zitate mehr von Lehrern. "um dann ein paar Stichworte zu vergessen" ist eine schöne Formulierung, die ich mir merken und ggf. plagiieren werde :)

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Avatar von Erithacus
Aug 9Bearbeitet

Salve Bruder! Bruder wird schon stimmen. Folgen wir einmal meiner Behauptung, dass Kultur und Sprache die Denkweise beeinflusst.

Ikonische Sprachen, wie das Chinesische, indem jedes Wort zusammengesetzt aus Bildern ist, schult ganz andere Wege als eine auf Lauten basierte Sprache.

Beispiel:

梦想 (mèngxiǎng) – Traum (im Sinne von Wunsch)

• 梦 (mèng): bedeutet „Traum“. Das Radikal „夕“ (Abend) zeigt die Zeit des Schlafens, während der Rest auf die Bildlichkeit des Traums verweist.

• 想 (xiǎng): bedeutet „denken“, „wünschen“. Enthält „相“ (gegenseitig, Bild) und „心“ (Herz), also „etwas im Herzen sehen“ – Vorstellung, Wunsch.

(KI)

Während unser Wort Traum von seinem Klang und Assoziation lebt und dem griechischen Wortursprung Trauma, ist bei (mèngxiǎng) die Erkenntnis festgeschrieben (einschränkend) und immer bildlich sichtbar ohne das man nachdenken muss.

Im japanischen wird häufig im Alltag wie bei meinen kleinen Texten, ganz viel Kontext weggelassen. Diese Dinge fördern Ganzheitlichkeit im Denken. Einordnung des Gedanken in die Welt bevor gesprochen wird. (Man schaue sich ein Interview eines japanischen oder chinesischen Diplomaten an.)

Auch eine Betrachtung von altsächsisch zeigt mehr Gesang und Metapher.

Wissen ohne Erkenntnis gibt es zu häufig. Für Erkenntnis braucht es andere Bildung, welche hier von dir demonstriert wird, während du an den Kontext denkst bei Nachfrage. Ich idealisiere also lose die humanistische Bildung von früher, denn meine Schulzeit an „alter Schule“ bis 2021 war nicht schlecht, auch wenn vieles Altes zum Glück ausblieb und Anderes mehr der Sozialisierung zuzuschreiben ist. Heute sind wir auf Wissenschaft gerichtet, mit allen Einflüssen.

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Avatar von Conrad Knittel

Altsächsisch? Tell me more :)

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Avatar von Erithacus
Aug 10Bearbeitet

Klar:) Vielleicht erklärt sich die rituelle bildliche Gesanglichkeit des Altsächsischen (Altniederdeutschen)am besten an einem Ausschnitt.

Hochdeutsch:

Da befahl es in seiner ewigen Ordnung

der hohe Herrscher, der Kinder Kinder,

in diese Welt zu kommen,

der heilige Herr, der herrliche Mann,

wurde zur Menschengestalt bereitet.

Er war vorbereitet zum Menschsein

aus den hohen Reichen des Himmels,

der Gebieter aller Geschöpfe.

Altsächsisch:

Thô gêrscap hêt

heh drohtin thero barnun barn

an thesaru werold cuman,

hêlag hêrrô, hêrrlikc man,

uuard an uuesan giuuîdid.

He uuas uuesan giuuîdid

fan them hôhon himila rîkea,

uualdand allaro uuîhta.

Auch dies fördert durch bildliche Sprache, Metapher, Rhytmus und Gesang die Ganzheitlichkeit des Denkens. Zweifellos sind unsere vielen Konsonanten nützlich für das Gehirn auf seine Weise. Doch die sprachliche Entwicklung ließ anderes Vergessen. „Und was nicht hätte in Vergessenheit geraten dürfen, ging verloren.“

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Avatar von Conrad Knittel

Ist "giuuîdid" Mensch(sein/heit/gestalt?)

Und: haben modernere Sprachen mehr Konsonanten als ältere? (Mir ist nur bei Sanskrit aufgefallen, dass dort echt viele As vorzukommen scheinen.)

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Avatar von Erithacus
8dBearbeitet

Das heißt so viel wie „ihr habt geweihtes gemacht oder getan“ bzw einen Schwur geleistet. Die Übersetzung hat ihre Schwierigkeit.

Es gibt so weit ich weiß keinen allgemeinen Trend zu mehr oder weniger Konsonanten. Die Sprache formt sich vielmehr nach dem Gebrauch und der Kultur. So ist das Französische heute viel Konsonanten ärmer als früher. Sanskrit ist eine wunderbare Sprache für ihre Art spirituelle Nutzung, sowohl im philosophischen als auch klanglichen Sinn. Im Deutschen entstand aus meiner Sicht, die Entwicklung hin zum „sprachlichen Handwerk“ gut zu erkennen in der wissenschaftlichen philosophischen Tradition, in der wir heute stehen. „A“ ist wahrscheinlich der beste gesagliche Vokal.

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Avatar von Daniel Sigrist

Wieder ein toller Text, Danke! Ich freue mich auf Teil 3.

Hier übrigens noch ein Video von einem Lehrer, der mit seinen Schülern an einer freien Schule Magic spielt: https://youtu.be/OMQcTdoIswk?si=x-BD0rjhUNg6lXVQ&t=182 :-)

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Avatar von Conrad Knittel

Ja geile Sache! :) Unsere Lehrer haben nie mit uns Magic gespielt, da hätten sie viel gelernt. Kennst du das Spiel denn eigentlich? Ich spiele manchmal noch Drafts mit Freunden, wenn wir uns mal sehen.

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Avatar von Daniel Sigrist

Ich kenne es nur theoretisch, habe noch nie gespielt. Ein Bekannter von mir hat mir mal erklärt, wie das Spiel funktioniert und dann habe ich entschieden, dass mir das glaub zu aufwändig ist. Auch wenn es mir sicher gefallen könnte. :-)

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Avatar von Conrad Knittel

Also meine Frau hat es "nur" dafür und dadurch gelernt, mit uns zu draften, hat Spaß dran und ist auch erstaunlich gut. Ohne viel Aufwand. Also wenn du mal zu nem Draft eingeladen wirst, sag einfach ja :)

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Avatar von Daniel Sigrist

Ich habe keine Ahnung, was ein Draft ist - aber falls ich jemals dazu eingeladen werde, werde ich somit ja sagen. ;-)

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