Lieber Conrad, ich bin ebenfalls beeindruckt von deiner Ausführung über Mattias Desmets Buch und seine dortige Gedankenwelt. Ich hatte auch schon vor, ihn selbst zu lesen - Buch 52 auf dem Stapel - doch dein Text hier macht es einfacher für mich und rascher am Inhalt zu partizipieren. Ich bin von euch beiden beeindruckt und werde mit Freude und Interesse weiterlesen.
Deine Fußnoten sind ebenfalls super interessant. Gebser ja! Ich dachte es mir doch beim Lesen. Schön ist es, wenn ich so viel Zustimmung fühlen darf beim Lesen, doch auch Inspiration erfahre - und das Corona Kapitel? - da bin ich eher weiter weg vom Autoren aufgestellt. Das fühlt sich aber auch gut an, erfrischend und qualitative Nahrung für den Geist. Ein lieber Gruß geht in der Hitze raus an dich ... und ich lese immer weiter ...
Wow. Dein schreibstyl ist echt eine eigene Liga. Sehr dicht, sehr durchdacht. Man muss langsam lesen, aber es lohnt sich. Manche Dinge lassen sich einfach nicht einfach sagen. Oder ich hab mir schwer getan weil ich die Teile davor nicht gelesen habe.
Ich selbst schreib ganz anders … aber genau deshalb inspiriert mich dein Text. Tiefe und Sprache sind echt dein verwebt.
Danke dafür! Du hast definitiv meinen Horizont erweitert.
Und noch ein Satz zum Inhalt.
Angst ist die Software auf der unsere Gesellschaft gerade fährt. Wer seine Ängste erkennt und reflektiert, der kann der Reifung von abergläubischen Mustern vorbeugen und einen offeneren Umgang mit Unsicherheit fördern. Wir brauchen neue Rituale die uns wieder verbinden.
"Angst ist die Software auf der unsere Gesellschaft gerade fährt." Der Satz gefällt mir gut. Man könnte noch ein "gegen die Wand" ergänzen, um das Bild zu erweitern :)
"Haben wir womöglich die eine Art des Aberglaubens einfach nur durch eine andere Art ersetzt? "
Nach meiner Meinung: Ganz sicher. Und zwar direkt vom Vater der Lüge serviert, der schon vor Jahrtausenden mit genau dieser Lüge hausieren ging ("ihr werdet sein wie Gott").
Die Propaganda der totalitären und meist auch entsprechend offen absurden Coronamaßnahmen ausgerechnet unter Berufung auf Mattias Desmet hier teils zu verteidigen, das geht auf keine Kuhhaut. Dazu passend die implizite Kritik, dass "mehr Menschen den Klimawandel leugnen":
Die wenigsten der mindermeinenden Andersdenkenden leugneten oder leugnen. Das Wort leugnen ist falsch und höchst manipulativ, ja pure (und von Desmet auch vehement kritisierte) Propaganda (vgl. "Coronaleugner"). Manche zweifeln durchaus begründet am "Klimawandel". Dieser ersetzte als bewusst gepflanzter Propagandabegriff vor gar nicht so langer Zeit seinen Vorgänger des "Global Warming". Und viele bezeichnen ebenso gut begründet den "menschengemachten" Klimawandel als puren Schwachsinn.
Der Eindruck vom Menschen als Gefahr für den Planeten könnte übrigens selbst narzisstische Spiegelfechterei in ihrer reinsten Form und Ausdruck eines tief liegenden negativen Menschenbildes sein. Einmal abgesehen davon, dass das massenhaft modernde Narzisstenbashing mittlerweile eigenartig menschenverachtende Züge angenommen hat. Indem die positiven Seiten und ganz natürlich vorkommenden Eigenschaften des Narzissten für die Gesellschaft (etwa in der Politik) tatsächlich "geleugnet" werden. Übrigens gar nicht so selten von selbst narzisstisch strukturierten Menschen innerhalb der florierenden Psychowellnessindustrie, welche sich den technokratischen Modebegriff der "Empathie" auf die Fahnen heften.
PS: Desmets Kernanliegen ist das Ende des mechanistischen Weltbildes. Nicht zufällig fußen sowohl der totalitäre Coronawahn als auch der totalitäre Klimawahn auf ähnlichen (=ähnlich unzulänglichen) "Zahlen". Der österreichische Gesundheitsexekutor Rudolf Anschober verband bereits im April 2020 öffentlich in einem Radiointerview für den Akademikerpropagandasender Ö1 seine unverhohlene Freude über den nunmehrigen Maßnahmendurchgriff gegenüber seinen massenhaft eingesperrten Untertanen mit zuvor ungeahnten (weil de jure totalitären) und künftig denkbaren "Maßnahmen" in Sachen Klima. Die neue Regel (Orwell lässt grüßen) war und ist der offene Regelbruch!
Vielen Dank für die lange Stellungnahme. Ich identifiziere drei Kritikpunkte, auf die ich gerne eingehe:
(1) Ich würde mit Bezug auf Desmet Corona-Maßnahmen "teils ... verteidigen". Ich sehe nicht, an welcher Stelle ich das tun würde. Sag mir gerne, welche Stelle du dahingehend verstanden hast. Ich kritisiere im Gegenteil, dass alle Maßnahmen freiwillig hätten sein müssen und dass viele explizit falsch waren.
Ich formuliere meine Kritik nach Möglichkeit sachlich, weil ich glaube, dass die heftigen Emotionen in diesem Diskurs hinderlich sind, klar zu sehen. Und letztlich das Spaltende darin auch das vom Bösen Intendierte ist (womit ich ein metaphysisches Wirkprinzip meine, nicht Menschen(gruppen)).
*
(2) Ich würde implizit kritisieren, dass Menschen "den Klimawandel leugnen oder ignorieren." Der Satz steht aber in einem Kontext, indem ich einfach nur nicht-wertend feststelle, dass die Bewegungen durch ihr Vorgehen ihren offiziellen Zielen kontraproduktiv entgegenwirken. Ob diese Ziele sinnvoll sind, beurteile ich an dieser Stelle nicht.
Mattias Desmet schreibt in seinem Buch aber explizit, dass die "gesellschaftlichen Phänomene wie #MeToo, Black Lives Matter, die Klimabewegung und die Coronakrise an reale Probleme an[knüpfen]." (S. 113) (Und dass diese Probleme aber nicht ihr eigentlicher Existenzgrund sind.) Das ist vereinbar mit der Auffassung, die Du schilderst, aber auch mit weniger starken Ansichten zur Klimafrage. Der Hinweis, dass "Leugner" ein diffamierendes Wort ist, ist wichtig, vielen Dank dafür. "Klimaleugner" hätte ich auch nicht verwendet, im Kontext schien mir meine Formulierung "leugnen oder ignorieren" in Ordnung, aber da hätte ich womöglich mehr Feingefühl gebraucht.
*
(3) Ich würde die positiven Seiten des Narzissmus nicht ausreichend würdigen. Ich habe diesbezüglich nur (gekürzt) dargestellt, was Desmet im 5. Kapitel seines Buches schrieb. Ich habe dort keine Anhaltspunkte gefunden, dass er auch positive Seiten am Narzissmus sieht, insofern -- und weil mir auch in meiner anderen Lektüre kein solcher Hinweis begegnet ist -- ist mir dieser Gedanke neu. Was sind denn "die positiven Seiten und ganz natürlich vorkommenden Eigenschaften des Narzissten für die Gesellschaft (etwa in der Politik)"?
Zu den positiven Seiten des Narzissmus: Der Beruf des Spitzenpolitikers ist für "normal" gepolte Menschen schlichtweg schwer aushaltbar. Nicht jedoch für den Narzissten, dessen Energiesystem vom öffentlichen Auftritt lebt. Das nahezu vollständige Leben im Spiegel der Öffentlichkeit tut dem Narzissten gut. Er ist dafür gemacht. Ebenso für den Kampf, der nunmal zur Politik dazu gehört. Nur besonders naive Menschen würden zB einem Raubtier vorwerfen, zu tun, was ein Raubtier nunmal so tut. Kernkompetenz eines Politikers ist das Halten von überzeugenden Reden, am besten mit schillernder Persönlichkeit, ebenso eine meist leichte Übung für den Narzissten. Abschließend die beste Eigenschaft des Narzissten (gut sichtbar am Paradenarzissten Trump): Der Narzisst ist nicht wirklich anfällig für allerlei ideologischen Wahnsinn (bestes Beispiel wäre etwa die Steigerungsform des Zwanghaften, der nekrophile Hitler, nachzulesen bei Erich Fromm). Ideologie ist für den Narzissten bloß ein Mittel für den persönlichen Zweck. Gut erkennbar auch an all den intellektuellen Narzissten, die ihr Fähnchen immer schön in den aktuell wehenden Wind halten ;-)
PS: Desmet sieht keine positiven Seiten des Narzissmus. Er stellt jedoch einen sehr wesentlichen Zusammenhang von Narzissmus und Sprachentwicklung dar, der im Original klarer zum Ausdruck kommt als bei dir. Vielleicht komm ich (oder du) ja noch dazu, das entsprechende Zitat zu suchen.
Deine Ausführungen zu den positiven Aspekten des Narzissmus sind klar nachvollziehbar. Fraglich bleibt für mich, ob es tatsächlich positiv ist, oder nur so scheint, dass dadurch ein fragwürdiges (pseudo-)demokratisches System am Leben erhalten wird, dass es diese Öffentlichkeits-Vampire gibt. Dass Narzissten selbst einer Ideologie nicht verfallen, erscheint mir ein schwacher Trost, wenn sie diese dafür umso geschickter nutzen können, um die Massen zu manipulieren.
Zu deiner Ansicht, die (totalitären) "Maßnahmen" hätten freiwillig sein sollen: Diese ist mE eine quasi "schwedische". Aber Schweden gab es während "Corona" offiziell nicht, wie du sicher schon weißt. Dein Vorschlag der Freiwilligkeit läuft darüber hinaus einer zentralen These Desmets in seiner Psychologie des Totalitarismus zuwider. Warum? Weil Totalitarismus nach Desmet niemals von oben, sondern immer von unten ausgeht. Die einmal gebildete Masse selbst sei es, die "Maßnahmen" fordere. Und zwar keine freiwilligen (wie die teilweise auch mit Gewalt "gemaßnahmten" "Ungeimpften" bei Ungehorsam mitunter schmerzlich bemerken durften) sondern zwingende. Es gab zahlreiche Technokraten, die mit dem Willen der Massen ganz bewusst ihre mechanistischen Spielchen spielten. Man nennt das verharmlosend "Nudging". Österreichs Obernudger wurde nach folgender, offen selbstjustizieller Referenz quasi zur Belohung Arbeitsminister des Kurz-Regimes. Man höre und staune (auch über ganze 153 Aufrufe und null Nachspiel – heute sitzt er ebenso quasi zur Belohnung in der Nationalbank) hier:
Ich würde den Widerspruch dahingehend auflösen wollen, dass die sich bildende Masse ein Hindernis der Freiwilligkeit darstellte, aber kein Unüberwindliches, wie Schweden und andere Länder teilweise ja gezeigt haben. Desmet hat ja auch nicht schon im März 2020 gewarnt, weil er seine Warnung für sinnlos hielt, sondern weil er hoffen durfte, damit genug Menschen zu erreichen, um das Schlimmste zu verhindern. Zu Desmets Ausführungen gehört, finde ich, der Optimismus, dass eine ausreichend große Menge an Menschen, die den Mund nicht halten, zum Zusammenbruch der Massenpsychose führen können, ohne dass es vorher zur Barbarei kommt. (Ich erinnere mich, dass er das Beispiel von Nazi-Funktionären anbrachte, die ihren "Glauben" in Gebieten verloren, wo die Bevölkerung nicht ideologisiert (genug) war.)
Als später “Desmet-Experte” hast du übersehen, dass er eben nicht zu den Frühwarnern vom März 2020 gehörte, sondern nach eigenen Angaben in unzähligen Interviews erst nach ein paar Maßnahmenmonaten stutzig wurde (unter Hinweis auf seinen Abschluss in Statistik). Der Jurist, der Desmet ursprünglich medial groß machte, sitzt übrigens seit langer Zeit in einem deutschen Gefängnis in Einzelhaft.
Das bist du ja offenbar auch (in diesem Fall). Ich hatte das insofern falsch in Erinnerung, als er zwar seinen (endgültigen) Meinungsswitch immer mit Mai 2020 datierte, aber tatsächlich auch zu den Frühwarnern gehörte.
Super, danke! Um den alltäglichen gesellschaftlichen Narzissmus zu umschreiben habe ich das Wort Solipsismus wiederentdeckt. Das befreit mich davor, es klinisch betrachten zu müssen.
Ja, ich like und kommentiere meine Artikel auch immer selbst xD
Lieber Conrad, ich bin ebenfalls beeindruckt von deiner Ausführung über Mattias Desmets Buch und seine dortige Gedankenwelt. Ich hatte auch schon vor, ihn selbst zu lesen - Buch 52 auf dem Stapel - doch dein Text hier macht es einfacher für mich und rascher am Inhalt zu partizipieren. Ich bin von euch beiden beeindruckt und werde mit Freude und Interesse weiterlesen.
Deine Fußnoten sind ebenfalls super interessant. Gebser ja! Ich dachte es mir doch beim Lesen. Schön ist es, wenn ich so viel Zustimmung fühlen darf beim Lesen, doch auch Inspiration erfahre - und das Corona Kapitel? - da bin ich eher weiter weg vom Autoren aufgestellt. Das fühlt sich aber auch gut an, erfrischend und qualitative Nahrung für den Geist. Ein lieber Gruß geht in der Hitze raus an dich ... und ich lese immer weiter ...
Wow. Dein schreibstyl ist echt eine eigene Liga. Sehr dicht, sehr durchdacht. Man muss langsam lesen, aber es lohnt sich. Manche Dinge lassen sich einfach nicht einfach sagen. Oder ich hab mir schwer getan weil ich die Teile davor nicht gelesen habe.
Ich selbst schreib ganz anders … aber genau deshalb inspiriert mich dein Text. Tiefe und Sprache sind echt dein verwebt.
Danke dafür! Du hast definitiv meinen Horizont erweitert.
Und noch ein Satz zum Inhalt.
Angst ist die Software auf der unsere Gesellschaft gerade fährt. Wer seine Ängste erkennt und reflektiert, der kann der Reifung von abergläubischen Mustern vorbeugen und einen offeneren Umgang mit Unsicherheit fördern. Wir brauchen neue Rituale die uns wieder verbinden.
"Angst ist die Software auf der unsere Gesellschaft gerade fährt." Der Satz gefällt mir gut. Man könnte noch ein "gegen die Wand" ergänzen, um das Bild zu erweitern :)
Vielen Dank für das Lob!
Aber Vollgas 🥴✌🏼
"Haben wir womöglich die eine Art des Aberglaubens einfach nur durch eine andere Art ersetzt? "
Nach meiner Meinung: Ganz sicher. Und zwar direkt vom Vater der Lüge serviert, der schon vor Jahrtausenden mit genau dieser Lüge hausieren ging ("ihr werdet sein wie Gott").
Die Propaganda der totalitären und meist auch entsprechend offen absurden Coronamaßnahmen ausgerechnet unter Berufung auf Mattias Desmet hier teils zu verteidigen, das geht auf keine Kuhhaut. Dazu passend die implizite Kritik, dass "mehr Menschen den Klimawandel leugnen":
Die wenigsten der mindermeinenden Andersdenkenden leugneten oder leugnen. Das Wort leugnen ist falsch und höchst manipulativ, ja pure (und von Desmet auch vehement kritisierte) Propaganda (vgl. "Coronaleugner"). Manche zweifeln durchaus begründet am "Klimawandel". Dieser ersetzte als bewusst gepflanzter Propagandabegriff vor gar nicht so langer Zeit seinen Vorgänger des "Global Warming". Und viele bezeichnen ebenso gut begründet den "menschengemachten" Klimawandel als puren Schwachsinn.
Der Eindruck vom Menschen als Gefahr für den Planeten könnte übrigens selbst narzisstische Spiegelfechterei in ihrer reinsten Form und Ausdruck eines tief liegenden negativen Menschenbildes sein. Einmal abgesehen davon, dass das massenhaft modernde Narzisstenbashing mittlerweile eigenartig menschenverachtende Züge angenommen hat. Indem die positiven Seiten und ganz natürlich vorkommenden Eigenschaften des Narzissten für die Gesellschaft (etwa in der Politik) tatsächlich "geleugnet" werden. Übrigens gar nicht so selten von selbst narzisstisch strukturierten Menschen innerhalb der florierenden Psychowellnessindustrie, welche sich den technokratischen Modebegriff der "Empathie" auf die Fahnen heften.
PS: Desmets Kernanliegen ist das Ende des mechanistischen Weltbildes. Nicht zufällig fußen sowohl der totalitäre Coronawahn als auch der totalitäre Klimawahn auf ähnlichen (=ähnlich unzulänglichen) "Zahlen". Der österreichische Gesundheitsexekutor Rudolf Anschober verband bereits im April 2020 öffentlich in einem Radiointerview für den Akademikerpropagandasender Ö1 seine unverhohlene Freude über den nunmehrigen Maßnahmendurchgriff gegenüber seinen massenhaft eingesperrten Untertanen mit zuvor ungeahnten (weil de jure totalitären) und künftig denkbaren "Maßnahmen" in Sachen Klima. Die neue Regel (Orwell lässt grüßen) war und ist der offene Regelbruch!
Vielen Dank für die lange Stellungnahme. Ich identifiziere drei Kritikpunkte, auf die ich gerne eingehe:
(1) Ich würde mit Bezug auf Desmet Corona-Maßnahmen "teils ... verteidigen". Ich sehe nicht, an welcher Stelle ich das tun würde. Sag mir gerne, welche Stelle du dahingehend verstanden hast. Ich kritisiere im Gegenteil, dass alle Maßnahmen freiwillig hätten sein müssen und dass viele explizit falsch waren.
Ich formuliere meine Kritik nach Möglichkeit sachlich, weil ich glaube, dass die heftigen Emotionen in diesem Diskurs hinderlich sind, klar zu sehen. Und letztlich das Spaltende darin auch das vom Bösen Intendierte ist (womit ich ein metaphysisches Wirkprinzip meine, nicht Menschen(gruppen)).
*
(2) Ich würde implizit kritisieren, dass Menschen "den Klimawandel leugnen oder ignorieren." Der Satz steht aber in einem Kontext, indem ich einfach nur nicht-wertend feststelle, dass die Bewegungen durch ihr Vorgehen ihren offiziellen Zielen kontraproduktiv entgegenwirken. Ob diese Ziele sinnvoll sind, beurteile ich an dieser Stelle nicht.
Mattias Desmet schreibt in seinem Buch aber explizit, dass die "gesellschaftlichen Phänomene wie #MeToo, Black Lives Matter, die Klimabewegung und die Coronakrise an reale Probleme an[knüpfen]." (S. 113) (Und dass diese Probleme aber nicht ihr eigentlicher Existenzgrund sind.) Das ist vereinbar mit der Auffassung, die Du schilderst, aber auch mit weniger starken Ansichten zur Klimafrage. Der Hinweis, dass "Leugner" ein diffamierendes Wort ist, ist wichtig, vielen Dank dafür. "Klimaleugner" hätte ich auch nicht verwendet, im Kontext schien mir meine Formulierung "leugnen oder ignorieren" in Ordnung, aber da hätte ich womöglich mehr Feingefühl gebraucht.
*
(3) Ich würde die positiven Seiten des Narzissmus nicht ausreichend würdigen. Ich habe diesbezüglich nur (gekürzt) dargestellt, was Desmet im 5. Kapitel seines Buches schrieb. Ich habe dort keine Anhaltspunkte gefunden, dass er auch positive Seiten am Narzissmus sieht, insofern -- und weil mir auch in meiner anderen Lektüre kein solcher Hinweis begegnet ist -- ist mir dieser Gedanke neu. Was sind denn "die positiven Seiten und ganz natürlich vorkommenden Eigenschaften des Narzissten für die Gesellschaft (etwa in der Politik)"?
LG Conrad
Zu den positiven Seiten des Narzissmus: Der Beruf des Spitzenpolitikers ist für "normal" gepolte Menschen schlichtweg schwer aushaltbar. Nicht jedoch für den Narzissten, dessen Energiesystem vom öffentlichen Auftritt lebt. Das nahezu vollständige Leben im Spiegel der Öffentlichkeit tut dem Narzissten gut. Er ist dafür gemacht. Ebenso für den Kampf, der nunmal zur Politik dazu gehört. Nur besonders naive Menschen würden zB einem Raubtier vorwerfen, zu tun, was ein Raubtier nunmal so tut. Kernkompetenz eines Politikers ist das Halten von überzeugenden Reden, am besten mit schillernder Persönlichkeit, ebenso eine meist leichte Übung für den Narzissten. Abschließend die beste Eigenschaft des Narzissten (gut sichtbar am Paradenarzissten Trump): Der Narzisst ist nicht wirklich anfällig für allerlei ideologischen Wahnsinn (bestes Beispiel wäre etwa die Steigerungsform des Zwanghaften, der nekrophile Hitler, nachzulesen bei Erich Fromm). Ideologie ist für den Narzissten bloß ein Mittel für den persönlichen Zweck. Gut erkennbar auch an all den intellektuellen Narzissten, die ihr Fähnchen immer schön in den aktuell wehenden Wind halten ;-)
PS: Desmet sieht keine positiven Seiten des Narzissmus. Er stellt jedoch einen sehr wesentlichen Zusammenhang von Narzissmus und Sprachentwicklung dar, der im Original klarer zum Ausdruck kommt als bei dir. Vielleicht komm ich (oder du) ja noch dazu, das entsprechende Zitat zu suchen.
Deine Ausführungen zu den positiven Aspekten des Narzissmus sind klar nachvollziehbar. Fraglich bleibt für mich, ob es tatsächlich positiv ist, oder nur so scheint, dass dadurch ein fragwürdiges (pseudo-)demokratisches System am Leben erhalten wird, dass es diese Öffentlichkeits-Vampire gibt. Dass Narzissten selbst einer Ideologie nicht verfallen, erscheint mir ein schwacher Trost, wenn sie diese dafür umso geschickter nutzen können, um die Massen zu manipulieren.
Zu deiner Ansicht, die (totalitären) "Maßnahmen" hätten freiwillig sein sollen: Diese ist mE eine quasi "schwedische". Aber Schweden gab es während "Corona" offiziell nicht, wie du sicher schon weißt. Dein Vorschlag der Freiwilligkeit läuft darüber hinaus einer zentralen These Desmets in seiner Psychologie des Totalitarismus zuwider. Warum? Weil Totalitarismus nach Desmet niemals von oben, sondern immer von unten ausgeht. Die einmal gebildete Masse selbst sei es, die "Maßnahmen" fordere. Und zwar keine freiwilligen (wie die teilweise auch mit Gewalt "gemaßnahmten" "Ungeimpften" bei Ungehorsam mitunter schmerzlich bemerken durften) sondern zwingende. Es gab zahlreiche Technokraten, die mit dem Willen der Massen ganz bewusst ihre mechanistischen Spielchen spielten. Man nennt das verharmlosend "Nudging". Österreichs Obernudger wurde nach folgender, offen selbstjustizieller Referenz quasi zur Belohung Arbeitsminister des Kurz-Regimes. Man höre und staune (auch über ganze 153 Aufrufe und null Nachspiel – heute sitzt er ebenso quasi zur Belohnung in der Nationalbank) hier:
https://youtu.be/U23FVPnBgn8?si=bWwNQ12AlS8LbPdL&t=50
Ich würde den Widerspruch dahingehend auflösen wollen, dass die sich bildende Masse ein Hindernis der Freiwilligkeit darstellte, aber kein Unüberwindliches, wie Schweden und andere Länder teilweise ja gezeigt haben. Desmet hat ja auch nicht schon im März 2020 gewarnt, weil er seine Warnung für sinnlos hielt, sondern weil er hoffen durfte, damit genug Menschen zu erreichen, um das Schlimmste zu verhindern. Zu Desmets Ausführungen gehört, finde ich, der Optimismus, dass eine ausreichend große Menge an Menschen, die den Mund nicht halten, zum Zusammenbruch der Massenpsychose führen können, ohne dass es vorher zur Barbarei kommt. (Ich erinnere mich, dass er das Beispiel von Nazi-Funktionären anbrachte, die ihren "Glauben" in Gebieten verloren, wo die Bevölkerung nicht ideologisiert (genug) war.)
Als später “Desmet-Experte” hast du übersehen, dass er eben nicht zu den Frühwarnern vom März 2020 gehörte, sondern nach eigenen Angaben in unzähligen Interviews erst nach ein paar Maßnahmenmonaten stutzig wurde (unter Hinweis auf seinen Abschluss in Statistik). Der Jurist, der Desmet ursprünglich medial groß machte, sitzt übrigens seit langer Zeit in einem deutschen Gefängnis in Einzelhaft.
DESMET hat im März 2020 schon gewarnt, dass die Angst vor dem Virus gefährlicher sei als das Virus. https://words.mattiasdesmet.org/p/the-fear-of-the-coronavirus-is-more
Ich verstehe nicht, wieso Du mir so konfrontativ begegnest. Ich habe nirgendwo behauptet, Desmet-Experte zu sein.
Das bist du ja offenbar auch (in diesem Fall). Ich hatte das insofern falsch in Erinnerung, als er zwar seinen (endgültigen) Meinungsswitch immer mit Mai 2020 datierte, aber tatsächlich auch zu den Frühwarnern gehörte.
Super, danke! Um den alltäglichen gesellschaftlichen Narzissmus zu umschreiben habe ich das Wort Solipsismus wiederentdeckt. Das befreit mich davor, es klinisch betrachten zu müssen.
Das passt ja auch gut. Auch für den Solipsisten existiert ja eigentlich nur er selbst, aber gerade dadurch auch er selbst nur als Schatten.