Aus dem Leben eines Halbzeit-Lehrers
Wie ich eines Tages fast ausversehen Goethe zitiert hätte. Und andere amüsante Anekdoten aus meinem beschaulichen Leben. Ich ging hin und fand nicht, was ich gesucht hatte, ihr seid gewarnt...
I
Es beeindruckt immer wieder, wie alltagstauglich einzelne Zitate aus der Zauberflöte sind. Vollkommen geschafft auf dem Sofa liegend, während die Ehefrau aufräumt, kann man singen (Alle Zitate und Paraphrasen aus dem Gedächtnis, also vllt etwas ungenau, der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel, wie jeder weiß):
Die Ärmste kann von Strafe klagen,
denn ihr Fauli ist dahin!
(hm, hm, hm, hmhmhm, hmhm, hm…)
Ich kann nichts tun, als dich beklagen,
weil ich zu schwach zu helfen bin…
(hm, hm, hmhm….)
Ich kann nichts tun —
als dich beklagen —
weil ich zu schwaaa-a-ach
zu helfen bin
weil ich zu schwach
zu helfen bin…
Wobei mein Heilpraktiker meiner Frau — er ist auch ihr Heilpraktiker — gesagt hat, sie bräuchte nicht meine hohen Sopran-Immitate (I just wanna love you, baby… yeah-hea-heah, (Justin Timberlake)), sondern meine angenehme Bassstimme, wobei Papageno mit seinem Bariton schon relativ tief dran ist. (Aber dies oben singt ja der Tenor Tamino.)
(Unseligerweise finde ich die Gesangseinlagen von Sarastro alle etwas… öde. Einzig Gebt diesem Ehrenmann sogleich (nur deine Gnade macht mich reich) nur siebenundsiebzig Sohlenstreich ist halbwegs singenswert. (Ach Herr, solch Lohn verhofft ich nicht) Kein Dank, es ist ja meine Pflicht. Musste lachen.
Anders herum singe ich nach einem arbeitsreichen Tag und einem erfolgreich beendeten Abendessen vielleicht zum Beispiel:
Nun ihr schönen Frauenzimmer,
darf ich?
Soooo empfehl’ ich mich —
Worauf meine Frau dann natürlich antwortet:
Dich empfehlen kannst du nimmer!
Erst wenn alle anderen schlafen, dürfte ich rein theoretisch machen was ich will, also Unterricht vorbereiten oder über Schüler nachdenken oder ein Buch lesen (ich las kürzlich, manch einer mag es in meiner diesbezüglichen Note gesehen haben, ein recht gelungenes Science Fiction Dystopie Romänchen namens Exogenesis von Peco Gaskovski, das ich zur angenehmen Lektüre empfehlen kann, ein wahrer Page-Turner, der einen aber dennoch nicht mit dem seltsam unbedriedigenden Gefühl zurücklässt, seine Zeit vergeudet zu haben, sondern stattdessen mit dem angenehmen Gefühl, etwas erhalten zu haben, worüber es sich noch lange nachzudenken lohnt. Zudem nähere ich mich langsam aber sicher dem Ende von Paul Kingsnorths Against the Machine — wenn ich das gestern Abend richtig gesehen habe, bin ich tatsächlich beim allerletzten Kapitel angekommen. Es wäre interessant und vielleicht auch amüsant und sogar weiterführend, die beiden Lektüren in einem Artikel gemeinsam zu besprechen, denn sie passen ganz gut zusammen. Vielleicht schaffe ich das sogar noch in den Weihnachtsferien, die herannahen mit Siebenmeilenstiefeln. Zudem quälte ich mich durch 250 Seiten Tom’s Crossing, dem neuen Wälzer (>1000 Seiten) von Mark Z. Danielewski (bekannt durch House of Leaves, ein sehr gutes Buch, das ich schon oft empfohlen habe; ihr seht, ich lese nicht nur noch Bücher von Substackern), ohne erkennen zu können, warum es gut sein soll, LEIDER, aber ich habe gehört, dass es ab Seite 900 voll geil werden soll und ich muss gestehen, dass auch jetzt gerade eine Stelle erreicht ist, die recht amüsant und etwas erschütternd zu lesen ist, denn es geht plötzlich um das Thema Mord:
“Now we got to address here even more ugliness: murder. And in some ways worse: the intent to murder. And then even worse upon worse: an agreed-upon intent by several individuals without one word said, forget whispered, not aloud ever, what any court would have difficulty prosecutin: [!] no verbal ledger to connect the dots, nor no obvious purchase or gatherin of weapons or some other implement suited for awful violence. Which also begs an awful question: if intent was in no way apparent, was there intent at all? But of course there was, no question.” (p. 223, Chapter Eight “Cavalry”)
Aber jedenfalls ist meine Lektüre aktuell etwas dezimiert und findet nur noch abends statt oder aber in der Schule zwischen Unterrichtsende und Kinder abholen, aber da schwätze ich meistens stattdessen mit den Kolleginnen, was auch sein Gutes hat.)
II
“Ein Weiser prüft und achtet nicht
was der gemeine Pöbel spricht.”
Ich saß mit meinem Freund und Kommilitonen Daniel auf einer Bank und wir rauchten. Daniel, du alter Ganove, sagte ich, Daniel, mein Guter, ich hatte eine grandiose Idee. Ich werde auf meinem Substack, sagte ich, vielleicht sagte ich auch auf Werke & Tage, weiß ich nicht mehr so genau, spielt auch keine Rolle, ich werde, sagte ich, alle meine offenen Artikel-Reihen bis Ende des Jahres beenden und dann, mein Lieber, dann werde ich mich fokussiert mit Sri Aurobindo auseinandersetzen, und zwar aber nur in Bezug auf die Bhagavad Gita, und dann, jetzt halt dich fest, werde ich, das ist jetzt kein Witz, ich werde vergleichen, was Rudolf Steiner, Heinz Grill, Yogananda und Sri Aurobindo — und wer weiß, vielleicht kommt mir unterwegs ja noch ein Autor unter, aber so ist es schön symmetrisch eigentlich, zwei indische und zwei deutsche Lehrer, alle aus dem 20. Jahrhundert, dazu herausgearbeitet haben, also ich werde es nicht nur vergleichen, sondern erst einmal überhaupt selbst begreifen müssen, was sie gesagt haben, das wird richtig gut.
Weiß nicht, sagte Daniel, wobei er in Wahrheit natürlich was ganz anderes gesagt hat oder auch gar nichts, und nur genickt, oder mich schief angeguckt und mir Rauch ins Gesicht geblasen, spielt auch keine Rolle, in dieser Wiedergabe sagte er jedenfalls Weiß nicht, ist das nicht ein bisschen viel für dich und gleichzeitig ein bisschen wenig?
Hast Recht, sagte ich, das müssen wir größer denken. Lass sehen. Wir könnten noch die Evangelien dazu nehmen. Zu denen haben diese Autoren, mit Ausnahme von Aurobindo, jedenfalls meines Wissens, sich auch recht ausführlich geäußert. Das wäre natürlich der Hammer.
So, sagte Daniel, wird ein Schuh draus. Aber ich glaube, sagte er (nicht), dass das zu einseitig ist für dein Wirken, du brauchst noch einen Ausgleich, denk daran, was mit dir passiert ist, damals (das war drei Tage her zu dem Zeitpunkt, aber er sagte (nicht) damals, als du zu viel Rilke gelesen hast und zum Ausgleich auf Substack rumflamen musstest und damit zumindest wort.bruch, wahrscheinlich aber auch allen anderen hart auf den Sack gegangen bist. (Und ich war überrascht, dass er das Wort rumflamen benutzte.)
Mein Gott, Daniel, sagte ich, wieso bin ich nur solch ein Hornochse und du so ein Genie?!
Das kommt dir nur so vor, weil du nicht außerhalb der Box denkst. Alleingelassen mit seinen Plänen und Ideen ist man immer ein Hornochse, erst im Dialog mit den lieben Freunden konkretisiert sich das Ganze zu einer realen Sache oder zeigt seine hässliche Fratze der Unvernunft, oder eine Mischung aus beidem. Insofern, sagte er, mach dir nix draus, dass du da nicht von allein drauf gekommen bist. Dazu hast du doch mich.
Das ist wahr, sagte ich, und zum Kippen drehen natürlich. (Das kann ich nämlich nicht. Aber er kann es recht gut, also ist das sein Job, sozusagen, wenn wir zusammen eine rauchen gehen.) Also gut, ich denke mal, zum Ausgleich sollte ich noch ein bisschen so kreativ schreiben, so fiktiv, vielleicht hier Um zu leben weiter raushauen und so.
Das ist zu klein gedacht, sagte Daniel und zündete sich seine Zigarette wieder an, die ausgegangen war, weil Selbstgedrehte gehen schnell aus und da zog ein kalter Wind durch die Hütte, in der wir saßen, wobei es keine richtige Hütte war, sondern vielleicht ein Unterstand oder Verschlag, es hatte jedenfalls nur zwei Wände und ein Dach und war in zwei Richtungen offen. Du solltest ruhig mal etwas Neues schreiben.
Warum denn etwas Neues? Das Alte reicht doch.
Das Alte reicht nie, sagte Daniel, und das weißt du auch also laber keinen Scheiß, Bruder.
Ich habe keine Lust, etwas Neues zu schreiben, wenn ich es nicht einmal hinkriege, das Alte zu veröffentlichen.
Dann krieg es halt hin statt hier rumzuheulen. Sei ein Mann. Womit Daniel aus der Zauberflöte zitierte. Es lag mir auf der Zunge, Ich wünschte ich wär’ ein Mädchen zu erwidern, aber das wäre mir dann doch zu albern gewesen und zudem nicht ehrlich. Ich bin sehr gerne ein Mann. Ich hätte auch nichts dagegen eine Frau zu sein. Im nächsten Leben vielleicht. Mal sehen. Steiner sagt, dass man da normalerweise hin und her wechselt. Aber in den Reihen, die er dann bespricht, ist es deutlich chaotischer. Man wird also sehen müssen.
Nun gut, Daniel, sagte ich, wenn du es sagst, dann werde ich es tun, denn du bist ja schon alt, also weise.
Hahaha, lachte Daniel, ich bin zwar älter als du, aber weder alt noch weise.
Ich wollte dir nur schmeicheln, sagte ich mit einem verschmitzten Grinsen. Aber du hast dich gut gehalten. und das trotz der dramatischsten Ereignisse in deinem Leben. Die hätten bestimmt neun von zehn umgehauen und die wären nicht wieder aufgestanden. Du hingegen hast es ausgewittert. Mann, das bewundere ich. Ernsthaft jetzt.
Daniel wurde ganz rot vor Verlegenheit. Ich hatte ja deine Hilfe, murmelte er in seinen nicht vorhandenen Bart und warf seine ausgerauchte Kippe so Tyler-Durden-Style auf den Boden.
So war das. Und so kam das. Ungelogen.
III
Was mich an eine Stelle bei Roberto Bolaño erinnert, wo er schildert, wie er einmal in Deutschland, um genau zu sein in Berlin, am Wannsee, um es noch genauer zu schildern, unterkam oder wie man sagt, jedenfalls nächtigte, aber nicht schlafen konnte, wenn ich korrekt erinnere wegen der Mücken. Und wegen Kleist’s Geist? Ich werde es nachschlagen.
…
Ich habe es nachgeschlagen. Die Story ging wie folgt.
Moment, kleiner Einschub, als ich das zugrundeliegende (hypokeimon!) Buch aufschlug, Exil im Niemandsland nämlich, im prächtigen Berenberg-Verlag erschienen und teilweise auch von Heinrich v. Berenberg höchstselbst übersetzt, der auch der Herausgeber ist und ein Freund von Bolaño war, war es zufällig die Seite 122, auf der nur die Zeilen zu lesen sind:
ehe sie davonfuhren. Mein Freund lachte und meinte, die Zeiten ändern sich. Und die Kinder sind die ersten, die das merken. (2000)
Die dazugehörige Anekdote beginnt auf S. 121 und beinhaltet die Namen Sun Tzu und Claudewitz, denen zufolge man “nur Schlachten schlagen [sollte], die man mit Sicherheit gewinnt.” Zudem wird da über Schwarze und Weiße geredet und das ist auch der Kontext der letzten Zeilen, aber mehr verrate ich nicht, kauft euch einfach das Buch und lest nach. Das Buch enthält sehr viele sehr schöne Texte und der Berenberg Verlag ist durchaus unterstützenswert, finde ich.
Jedenfalls, in der Geschichte, die in Berlin am Wannsee spielt, wo bekanntlich Konferenzen stattgefunden haben, übernachtet der Erzähler, mutmaßlich Bolaño selbst, aber wer weiß das schon so genau?, in genau dem Hotel dort, wo sich Kleist 1811 umgebracht hat. Und B. ergänzt in gewohnter Manier:
“… zusammen mit der bedauernswerten Henriette Vogel, die tatsächlich wie ein Vogel war, aber ein hässlicher, stiller Vogel, einer jener Vögel, die, ohne die Flügel ausbreiten zu müssen, an den Pforten zur Finsternis, zum Unbekannten sitzen.” (S. 88)
Er kommt spät abends, er hat den Schlüssel hinterlegt bekommen, er findet nirgends eine “Menschenseele”, obwohl man ihm versichert hatte, “dass dort das kulturelle Leben leidenschaftlich pulsierte”, vor allem abends und nachts. “Das Gebäude war von gewaltigen Ausmaßen.” Es erinnert, auch wenn weder Autor noch Erzähler diesen Zusammenhang explizit machen, an die Januarische Ambassade aus Meere von Zeit von Tonke Dragt, oder natürlich an die verrückte Stadt in einer der Geschichten von Borges, Der Unsterbliche, von der ich schon einmal berichtete. B. findet sein Zimmer. Die Fenster stehen offen und an den Wänden sitzen Mücken, die B. an seine Zeit in Panama erinnern, wo Mücken normal waren, während sie ihn hier überraschen und daher kalt erwischen, sozusagen. Er findet niemanden, um um ein Anti-Mücken-Spray zu bitten, daher, ganz pragmatisch, verbringt er einen Großteil der Nacht damit, Mücken zu erschlagen.
“In den Pausen presste ich meine Nase gegen das Fenster, das ich mich nicht länger zu öffnen traute, und meinte dort, am Ufer des Wannsees, Kleists Geist zu erkennen, der inmitten einer Wolke phosphoreszierender Insekten einen Tanz aufführte. Aber man gewöhnt sich an alles [wie wahr, wie wahr! (CK)], und irgendwann fielen mir die Augen zu.” (S. 89)
Woraufhin B. recht übergangslos zur “zweiten Abweichung von der Normalität” berichtet, die er in Berlin erfahren durfte:
“Ich fuhr mit einer Freundin in ihrem Auto die Bismarckstraße entlang, als sich diese Verkehrsader plötzlich, auf einer Strecke von nicht mehr als fünfzehn Meter, in einen Boulevard in Lloret de Mar verwandelte. Ungelogen.” (S. 89f.)
Womit auch geklärt sein dürfte, warum ich diese Anekdote assoziierte. Und es hat so gar nichts damit zu tun, dass auch ich auf dem Weg zu meiner Schule durch die Bismarckstraße fahre, die eine sehr schöne Straße ist, wenn auch vielleicht nicht besonders angenehm zu befahren, wobei es mit dem Lastenrad schon passt, jedenfalls herrscht dort Tempo 30 und die Autos halten sich auch daran und versuchen in aller Regel nicht, einen zu überholen, aber am Ende muss ich links abbiegen, was für den Fahrradfahrer oft Probleme der Logistik und des Kairos mit sich bringt, aber sei’s drum, jedenfalls liegt diese Bismarckstraße selbstverständlich in Aachen und nicht in Berlin, im Frankenberger Viertel, berühmt für den besten Eisladen der Stadt und seine Hipster oder wie man sie heute nennt (Und der Typ aus dem Film Drecksau mit James McAvoy in der Titelrolle würde sagen: “Aber ich nenne sie noch immer verdammte Schwuchteln”, aber das versteht man heutzutage ja schon nicht mehr, also lassen wir das besser.).
IV
Scheiße, Bernd! Jetzt hast du schon 2000 Wörter voll und noch nichts Bedeutendes gesagt. Wie kommt das nur immer?
Du bist halt ein Spast.
Sprich, Freund, so darfst du nicht sprechen, und tritt ein.
Ich trete dich gleich ein.
Und so weiter. Wir haben keine Zeit mehr für so etwas und wir sind ja auch nicht mehr ganz jung und zudem gilt es die Beamtenwürde zu wahren. (Der Schulrechts-Dozent im Ref erzählte uns, er war nicht mehr der Jüngste, früher, also so in den 60ern, nehme ich an, aber keine Ahnung, hätte es für den Lehrer gegen die Beamtenwürde verstoßen, kurze Hosen zu tragen, aber die Zeiten seien lange vorbei. Was mich dazu bringen könnte, über Dinge zu sprechen, über die ich jetzt aber nicht sprechen werde, weil die 2000 Worte Warmschreiben schon verbraucht sind, aber ihr könntet es bei Wladimir Kaminer nachlesen, aber ich weiß nicht mehr, wo genau, und ich kann streng genommen auch nicht empfehlen, ihn zu lesen, sondern stattdessen, seine Einsprechungen zu hören, das ist nämlich ein gewaltiger Genuss, nur getoppt von Marc-Uwe Klings Einsprechung von Qualityland, die ich schon oft empfohlen habe, völlig zu Recht, wie mir scheinen will.
V
Zum Glück und zu meiner Ehrenrettung ist mir doch noch wieder eingefallen, was ich eigentlich hatte erzählen wollen. Ich mach’s kurz und schmerzlos.
Gestern hat mein Lastenrad nämlich seinen Geist aufgegeben, wie man so schön sagt, d.h. die Bremsbeläge waren vollkommen durch, weshalb es angefangen hatte, hart zu quietschen, wenn ich nicht bremste, weshalb ich nur noch fahren konnte, ohne mich dabei zu schämen, sozusagen mit ganz leicht angezogener Bremse, was sich wie eine Metapher für mein Leben anfühlte, weil ich auch da das Gefühl habe, da durchzusausen, oder vielmehr verträumt mit Tempo 10 im Kreisverkehr, sonnenverbrantem Unterarm und meinen Astralkörper mit Kokosöl eingerieben habend (K.I.Z.) — nebenbei, ich habe nach und nach immer mehr Kokosöl in meine Ernährung eingebaut, es ist der Hammer ich liebe es, ihr solltet auch mehr Kokosöl zu euch nehmen, seit neuestem habe ich auch Kokosmilch eingebaut, und zwar in Form eines Kakaos, dafür braucht man die 3,8%-Kokosmilch sonst schmeckt es nicht und dann kommt da Rohkakao rein und natürlich so Gewürze wie Zimt und Kurkuma und Chili und ich mach immer ein bisschen Honig rein aber erst, wenn es schon wieder etwas abgekühlt ist, schmeckt hammer, heute habe ich noch Kakobutter reingeschmolzen und die Konsistenz, die das ergibt, ist der burn, wie man zu sagen pflegte vor sagen wir 10-12 Jahren?!, nun aber genug aside — und jedenfalls habe ich es nach der Arbeit (Malochen bis 16 Uhr war angesagt, in Wahrheit Mathe Förder am Nachmittag ICH LIEBE ES, ich habe mehr Spaß als meine Kollegin und alle 5 Schüler zusammengenommen aber am Ende haben auch sie gelacht und was vielleicht sogar noch geiler ist, meine Schutzbefohlenen KONNTEN am Ende auch, was ich mich 90 Minuten lang bemüht habe ihnen zu vermitteln!!! Mathe Förder ist das Gegenteil von Malochen, ich müsste eigentlich Geld dafür bezahlen, das machen zu dürfen, aber das nur am Rande) im Laden, den ich nicht benennen werde, abgegeben, sehr netter Mitarbeiter, wir haben uns gut verstanden, ich war überrascht, dass sie das nicht vor Ort beheben konnten sondern ich es einschicken musste und zudem musste ich leider zur Kenntnis nehmen, dass sie zwar ein riesiges Plakat da hängen hatten, dass man für die Dauer der Reparaturen ein Ersatzrad mieten kann für 70€ für den gesamten Zeitraum wie lange auch immer es dauert, dass sie aber keins da hatten und es bereits eine Warteliste für die Leih-Räder gab, sie mich da aber natürlich draufsetzen könnten. War trotzdem eine schöne menschliche Begegnung zwischen dem Mitarbeiter und mir. Jedenfalls hab ich mich dann sofort gefreut, weil in der Nähe meiner Schule (und der Laden war in der Nähe meiner Schule, fußläufig erreichbar, jedenfalls wenn man halbwegs laufen kann) ein sogenannter S-Bahnhof angesiedelt ist (Rothe Erde) und ich schon immer mal hatte ausprobieren wollen, wie es funktionierte, von dort zum anderen S-Bahnhof (Schanz) zu fahren und mich an der Schwanz (ups, freudscher Verschreiber, aber im Sinne der beat generation muss ich das jetzt so stehen lassen) dann mit dem Bus (früher sagten wir leicht versnobt: Sozialschlauch) nach Belgien zu überführen. Das hätte auch extrem gut funktioniert, aber es sollte anders kommen, wie ihr gleich oder demnächst je nachdem erfahren werdet.
Ich laufe also so mega gut gelaunt zu diesem S-Bahnhof Rothe Erde. Am Kennedy-Park vorbei. Der soll gefährlich sein, aber sah harmlos aus. (Man sagte mir mal, das ist aber schon länger her, die Polizei würde da nur in 10er-Mannschaften reingehen. Aber gut, was für die Polizei gefährlich ist, muss ja nicht für einen harmlosen aber breit gebauten Intellektuellen wie mich gefährlich sein. Eigentlich ist jede Straße gefährlich, hab ich mal auf einer Aggro Berlin - Platte sagen hören. Aber ich gehe immer mit Respekt rein und erwarte, da auch wieder mit Respekt rauszukommen.)
Ich finde auch prompt den Eingang und dort die Ticket-Automaten. (Dazu muss man wissen, dass ich mit so digitalen Dingen wie online Tickets kaufen etwas auf dem Kriegsfuß stehe, und auch mein Smartphone mit mir (es spürt wrsl den Mangel an Zuneigung) und ich in Deutschland darum kein internet-on-the-go habe und insofern auf meinen eigenen (früher eher mittelmäßigen, im Vergleich zum Durchschnitt heute dann aber doch exzellenten) Orientierungssinn und meine street credibility angewiesen bin.) Dort wollte ich mir mit Bargeld ein Ticket kaufen, denn ich bin Verfechter des mit Bargeld Bezahlens. (Wer mit etwas anderem bezahlt, darf sich in 50 Jahren nicht beschweren, wenn er keine Rechte mehr hat. Denkt mal drüber nach!)
Das war dann der erste Abturn dieses, äh, unfreiwilligen aber letztlich doch gewinnträchtigen Ausflugs ins Reich der Unterschichtler, die sich keine elektrischen Lastenräder leisten können oder wollen und auch nicht nach Möglichkeit Daimler Benz fahren. Denn der fucking Automat nahm kein Bargeld sondern ausschließlich Geldkarte. Man konnte nicht einmal seine Smartwatch benutzen oder sein Smartphone. (Was es auch nicht besser, aber immerhin zukunftsorientierter gemacht hätte.) Zum Glück bin ich natürlich ein Besitzer namhafter Kredit- und anderer Geldkarten und musste mir lediglich überlegen, welche davon ich benutzen will und auch kann (denn da ich sie selten benutze, laufe ich selbstverständlich Gefahr, den PIN zu vergessen, aber zum Glück sind meine PINs immer ganz einfach: 1234 oder 4321, voll gut!). Während ich da so verträumt mit meinem Portemonnaie (wie schreibt man das?) in der Hand vor dem Automaten stehe, sehe ich, dass neben mir die Verzweiflung Einzug gehalten hat. Ein Typ nämlich, offensichtlich nicht das, was man früher biodeutsch nannte und wovon ich heute nicht mehr weiß, wie man es beschreiben würde oder ob überhaupt noch, aber sagen wir einfach mal das, was man in meiner Jugend, die ja noch gar nicht so lange her ist, einen Ausländer genannt hätte, ohne dass dies despektierlich gemeint gewesen sein müsste, denn ein reicher Ami oder Russe oder Chinese wäre ja auch ein Ausländer und man selbst wäre in jedem Land außer Deutschland, oder je nachdem wie man tickt, in meinem Fall, Belgien, ein Ausländer (so gesehen bin ich überall einer, denn ich bin ja wie der Strand nicht ganz Meer und nicht ganz Land, ich bin nicht von dieser Welt, nicht von dieser Welt), aber egal, jedenfalls ein Typ, der nur so mäßig gut Deutsch sprechen konnte, der wahrscheinlich als Muslim geboren war und demnach offiziell wohl noch immer (denn die sehen das wie die Katholiken nicht als etwas, das man offiziell hinter sich lassen kann) — so, dieser Typ jedenfalls hatte das passende Bargeld in der Hand aber wohl keine Geldkarte und wollte aber nach Alsdorf für 8,20€ fahren. Ihn begleitend stand ein Typ der ziemlich deutsch aussah, und zudem irgendwie, wie sagt man, früher hätte man vielleicht gesagt, geistig minderbemittelt, was ja auch nichts Schlimmes ist, ganz im Gegenteil, jedenfalls die beiden wussten nicht, was sie tun sollten und fragten mich, ob ich Rat wüsste. Ich tat so, als verstünde ich nicht, worauf sie hinaus wollten, denn ich bin ja nicht doof und ich kannte die gar nicht, ich kann denen ganz sicher nicht mit meiner Geldkarte ein Ticket kaufen, denn vielleicht sind das Ganoven oder Scammer, wie man heute sagt, und vielleicht wollen die mich rippen, oder was auch immer?! Jedenfalls besser mal die Finger von lassen. Aber dann fragte der Ausländer-Typ mich explizit, ob ich ihm nicht das Ticket kaufen könnte und er mir dafür das Entgeld bar aushändigen, was er natürlich nicht genauso formuliert hat. Und ich natürlich so: Ja, selbstverständlich, werter Herr. Und ich kauf denen ihr Ticket und er gibt mir das Bargeld und bedankt sich überschwänglich. Ich sei ein Ehrenmann! (Er hat wohl auch Zauberflöte gehört.) Und wünscht mir Frohe Weihnachten.
Dann kaufe ich mir selbst mein Ticket, das nur läppische 2,40€ kostete. Warum machen sie es nicht gleich umsonst, frage ich mich da, mit 2,40€ wird doch niemand reich von oder arm, also was soll das, wahrscheinlich wollen sie nur die Armen Geldkarten-Losen rippen, die dann in ihrer Not schwarz fahren und dann 60€ blechen sollen für eine Dienstleistung, die in einer nobleren Welt offensichtlich umsonst wäre und zudem würde man dabei noch schönen Gesang vorgetragen kriegen, z.B. aus der Zauberflöte.
Und während ich mir das Ticket kaufe, kommt von der anderen Seite ein Bruder, so 50 Jahre alt, Zigarette im Maul, Jim Beam Flasche fest in der rechten Faust, in der Linken die 5€, die er für ein Ticket in den Automaten schmeißen will. Was der Automat natürlich nicht zulässt. Weil: der schluckt nur Geldkarten. Ich kauf dem Bruder also auch sein Ticket. Ich lebe gerne Gefährlich. Conrad Danger Knittel sozusagen, wenn ihr wisst, worauf ich anspiele.
Dann gehen der Bruder und ich gemeinsam die Treppe hoch und ich frage ihn, ob er weiß, auf welcher Seite es Richtung Schwanz geht, das weiß er nicht, aber er weiß, dass das Bargeld abgeschafft werden soll, 5G der vollständigen Kontrolle dient und dass die rechte Strategie zur Abwehr dieser finsteren Mächte Bitcoin ist. Nun ja. Wir sind uns nicht so unähnlich, der Bruder und ich. Nur dass ich keine Bitcoins kaufe. Und keinen Alkohol trinke. und nicht rauchen kann, ohne die Zigarette zwischen den Zügen aus dem Mund zu nehmen.
Auf dem Steig zwischen Gleis 1 und 2 kontempliere ich den ausgehängten Fahrplan. Der zeigt aber nur die wichtigsten Stops an und Schwanz (jedesmal, wenn man einen Witz macht, wird er lustiger, müsst ihr wissen) scheint nicht dazu zu gehören. Jedenfalls müsste man wissen, welche relevanten Destinationen nach Schanz kommen, aber das weiß ich nicht. Zum Glück ruft, ungelogen, in genau diesem Moment, meine Frau der Ehe, meine holde Maid höchstselbst, mich an. Und entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten kriege ich das auch mit und zücke das Telefon und gehe dran und verstehe sie sogar und sie auch mich und sie sagt: Fauli, du alte Trantüte, das dauert mir zu lange mit deiner fucking Odyssee, du hättest schon längst hier sein können, wenn du dir damals den Lamborghini gekauft hättest statt dieses löppischen Lastenrads und überhaupt, ich brauch dich, denn ich muss ein Medikament in der Apotheke abholen, die schließt um 18 Uhr, aber ich habe schon meinen Schlafanzug an. Alles klar?!
Ich sage: Sorry, tut mir leid, voll blöd, beschämend, ich weiß, ich hätte den Lamborghini kaufen sollen, aber ich bin einfach ein Öko
— eine Öko-Schwachtel, unterbricht sie mich.
Ja, du hast recht, also eine Öko-Schwachtel bin ich und ich steh hier inmitten dieser Unterschichtler am Steig des Hofs der Bahn des S und weiß nicht, in welche Richtung ich fahren muss und der Penner, den ich gefragt habe, wusste es auch nicht und irgendwie ich weiß nicht, ich glaub man wird krank, wenn man hier zu lange unter denen rumsteht.
Und mein süßes Täubchen darauf: Pass auf, dass die dich nicht abziehen, bei diesen Menschen, die wissen, was Stundenlohn ist, weiß man nie. Ich hol dich besser ab.
Und ich: Nein, Cherie, ich wollte schon immer mal so ghetto-style durch Aachen ziehen, das lasse ich mir nun nicht nehmen und wenn es das Letzte ist, was ich tue.
Woraufhin wir uns darauf einigten, dass sie für mich im Netz des Zwischens nachschaut, in welche Richtung ich fahren müsse und sogar, wann ein entsprechend geeigneter Zug käme und das war die RB20 nach Alsdorf (genau, der Ort, wo der Ausländer, der Typ meine ich, hingewollt hatte, ist ne kleine Welt, wie ein Globus) und die würde in wenigen Minuten auf Gleis 1 fahren. Und an der Schanz würde sie mich dann aber abholen, weil wer weiß, ob dieser “Bus” überhaupt kommt und wenn nicht stehen wir ohne unser homöopathisches Medikament gegen Grippe-artige Erkältungskrankheiten da und was dann?
Jedenfalls kam der Zug pünktlich, so wie bei Heinrich Böll, den ich btw später in Um zu leben zitieren werde.
PR: Um zu leben. Beachtet, dass ich kürzlich den 5. Teil veröffentlichte, der leserfreundlich gestaltet ist und nichts zu wünschen übrig lässt. Seht selbst. Abonniert. Erhaltet noch dieses Wochenende, also morgen oder übermorgen, den sechsten Teil direkt in euer Postfach. Einfacher geht es nicht. Ihr wisst ja: wer suchet, der findet. Das gilt auch heute noch:
Ich stieg ein, so auch der Bruder und der Ausländer-Typ und sein “Freund” mit “geistiger” “Minderung”. Die anderen Menschen sahen irgendwie alle etwas kränklich aus, so als würden hier Viren und auch Bakterien ein und aus gehen, aber ich tue immer gerne so, als glaubte ich nicht an Viren und Bakterien, sondern an Dämonen, die die Krankheiten verursachen, aber das ist nur ein insider-Joke mit den Leuten, die ebenfalls den entsprechenden Artikel von Richard Rorty gelesen haben, was die wenigsten sein dürften, oder die mir zugehört haben, wie ich von dem Artikel berichte, was schon häufiger vorkommt. Zum Glück konnte ich mich in diesem “Zug” sicher fühlen, denn es stieg auch ein Soldat ein. Ich vermute jedenfalls es war ein Soldat, er trug jedenfalls ne Uniform und eine Monster Energy Dose in der einen Hand, sein “Smartphone” in der anderen, und daddelte die Fahrt über damit herum und kippte sich das Gesöff rein, also ganz normal alles. Ich vermute, der Soldat, wenn er einer war, fuhr umsonst. Was ich gut finde. Die anderen sollten auch alle umsonst fahren.
Ich kam pünktlich an der Schanz an, rief meine Perle an und sie war noch nicht einmal losgefahren, weil ich weiß nicht, der Hund hatte sich mal wieder den Schwanz in der Tür eingeklemmt oder so etwas, jedenfalls lief ich dann die Lütticher Straße entlang, bis ich zu einer Tank kam, wo ich mir früher safe ein Red Bull geholt hätte, heute packte ich aber nur die Galette aus, die ich mir mitgenommen, aber noch nicht verzehrt hatte und als die verputzt war, verschlang ich noch ein paar Maronen und zu guter Letzt den Rest des Poridge, den ich als eiserne Reserve mit mir herumtrug, denn man weiß ja nicht, wie lange so eine Heimfahrt von der Schule zu mir dauern kann.
Und irgendwann, da war es schon kurz vor 18 Uhr, kam meine Frau dann angedriftet, ich warf mein Zeug durch das offene Fenster ins Auto und sprang hinterher und schon ging es wieder zurück, mit 130 auf der offenen Landstraße nach Belgistan, durch das Niemandsland, wo keine Gesetze herrschen, außer vllt der Code Napoleone, aber da steht nichts über Autofahren drin, und jedenfalls waren wir genau um 18 Uhr an der Apotheke.
Die sah geschlossen aus, aber es brannte noch Licht. Ich warf mich aus dem Auto und rollte ab. Ich hechtete zur Tür. Die war aber abgeschlossen. Niedergeschlagen wollte ich zum Auto zurückkriechen, aber der freundliche Apotheker schloss mir gerade schon die Tür wieder auf. Nur in Belgien. Er musste sogar das System wieder hochfahren, um mich noch abkassieren zu können. Das hätte der deutsche Apotheker nicht einmal gedurft. Geschweige denn getan. Aber so sind die Belgier. Er vergaß auch nicht, sich bei mir zu bedanken, dass ich bei ihm einkaufe, und ich dankte ihm erneut dafür, dass er mich noch reingelassen hatte. Wir gaben uns die Hand. Wir blickten uns in die Augen. Zwei echte Männer, die sich begegnen und die in einer besseren Welt Freunde werden könnten.
Wir fuhren nach Hause. Der Hund, der mitgekommen war, freute sich mega und rannte erst einmal auf die Wiese, um sich zu erleichtern. Meine Tochter kriegte das homöopathische Mittel. Es hat ihr sehr geholfen.
So weit so gut.
Böse Zungen könnten nun behaupten, ich hätte diesen Text nur geschrieben, um Werbung für Um zu leben zu machen. Aber seien wir ehrlich, das wäre sehr seltsame Werbung und zudem hat dieser Text den Ring der Wahrheit und darum habe ich ihn auch geschrieben. Ungelogen.
Oder, noch besser, abonniert Um zu leben, wenn ihr mich glücklich machen wollt und lest es. Ihr werdet erfahren, warum ihr immer Luckys Flow Filter rauchen solltet! Zudem gibt es Sex. Aber nicht im ersten Kapitel. Also nicht so richtig. Nur so trocken— ach, seht einfach selbst…





Bargeld ist gelebte Freiheit!
Die Apotheker-Story hat mich berührt. Undenkbar im besten Deutschland, das wir je hatten.
Ich gebe zu: Ich lese sehr gerne aus de(ine)m Leben. Und manchmal wünschte ich mir, ich könnte auch so schreiben. Aber dann würde ich ja doch nur versuchen, dich nachzumachen. So wie Ringo, der immer nur Buddy Holly Songs neu geschrieben hat.
Vielleicht sollte ich ja auch deinen Roman noch abonnieren? Warum, fragst du? Um zu lesen.