Antoine de Saint-Exupéry - Wind, Sand und Sterne
»Es ist einem zumute wie dem befreiten Gefangenen, der staunend die Unendlichkeit des Meeres erkennt.«
Die meisten Schriftsteller können sich glücklich schätzen, wenn sie auch nur ein Werk verfassen, mit dem sie über ihren Tod und ihre Zeit hinaus in Erinnerung bleiben. Viele Literaten, auch zu Lebzeiten hochgefeierte, auch Nobelpreisträger, bleiben nicht in Erinnerung. Insofern zählt Antoine de Saint-Exupéry zu den glücklichen Gewinnern dieser harten Lotterie oder Auslese. Mit Der Kleine Prinz schuf er eine Art Märchen für Kinder, das aber auch zu Erwachsenen noch spricht, das sich auch 80 Jahre nach dem Tod seines Schöpfers größter Beliebtheit erfreut.
Ich mag Der kleine Prinz. Aber gerade durch die massenweise Vermarktung, gerade durch seinen Erfolg, scheint mir das Buch paradoxerweise etwas von seiner Magie verloren zu haben. Die bewegenden Zitate sind zum Klischee verkommen, auch wenn sie tiefe Wahrheiten ausdrücken:
»Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.«
Oder:
»Die Sprache ist die Quelle der Missverständnisse.«
I.
Vollkommen unverbraucht, weil nicht in Erinnerung geblieben, obwohl zu seiner Zeit - zu recht - sehr erfolgreich, scheint mir ein anderes Buch des Autors, dass sich - wie alle seine anderen Bücher - an ein erwachsenes Publikum richtet: Terre des Hommes, was zu Deutsch Erde der Menschen oder Des Menschen Erde hieße - vom deutschen Herausgeber aber den Titel Wind, Sand und Sterne erhielt.
In diesem 1939 erschienenen Werk, also vor Ausbruch des 2. Weltkriegs, aber bereits nach der Machtergreifung - oder Machtüberlassung, wie mein Geschichtslehrer es ausgedrückt wissen wollte - nutzt der Autor seine persönlichen Erfahrungen als Flieger der ersten Stunde, um philosophisch über die conditio humana zu reflektieren, voller pathetischer Ernsthaftigkeit, aber ohne Kitsch.
Der Pathos tut auch, oder gerade, dem Leser im 21. Jahrhundert gut, wegen seiner Ernsthaftigkeit und seiner entwaffnenden Ehrlichkeit. Hier stellt sich ein Mensch hin und entblößt sich vollkommen, der Autor lässt sein ganzes Leben, sein ganzes Wissen, alles, was er erkannt zu haben glaubt, in sein Werk fließen, und das macht es bewegend. Zumindest meinem Empfinden nach. Ich habe das Buch in Teilen zum ersten Mal als Student gelesen, vielleicht mit 21-22 Jahren. Und die ein oder andere Formulierung, die ein oder andere Szene hat mich nie mehr verlassen. Davon will ich nun berichten.
II.
Gleich zu Beginn, als Ouvertüre sozusagen, bevor das eigentliche Buch beginnt, drückt der Autor gleich eine tiefe esoterische Wahrheit aus, die leider ein Stück weit in Vergessenheit geraten ist (wie die festen Bräuche und die Freundschaft laut dem Fuchs in Der kleine Prinz): Dass nicht nur eine der tiefsten, vielleicht die tiefste, Sehnsucht im Menschen die Verbindung zu anderen Menschen ist. Sondern dass diese tiefe Verbindung auch wirklich gelingen kann. Aber man muss sie wollen:
»Ich muss versuchen, Anschluss zu finden. Ich will mich bemühen, mit einigen dieser Feuer, die in weiten Zwischenräumen im Lande brennen, Verbindung herzustellen.« (S. 8)
Die Feuer, von denen hier die Rede ist, das sind einerseits die Lichter, die der Flieger bei einem Nachtflug über Argentinien sieht. (Und Nachtflüge waren in dieser Zeit noch besonders gefährlich, weil man eigentlich auf Sicht flog ohne die modernen Navigationsgeräte, mit denen wir heutzutage das Fliegen verbinden.) Aber jedes dieser Lichter, jedes Einzelne, steht eigentlich für »das Wunder eines Bewusstseins«.
Und diese Wahrheit, poetisch ausgedrückt, diese Seite in einem Buch, hat mich damals für immer gegen die philosophische Torheit des Solipsismus immunisiert, der Idee, wir könnten nicht wirklich wissen, ob es überhaupt andere Bewusstseine gäbe außer dem unseren, und wir könnten erst recht nichts über den Inhalt dieser Bewusstseine wissen. Jenseits dieser engmaschigen Gelehrtenlogik stand das Bild der Feuer, der Lichter der anderen Bewusstseine in der Nacht, jedes einzelne ein Wunder, jedes sich sehnend nach Verbindung, nach tiefer Begegnung miteinander.
(Auf brutale Weise drückt auch Samuel Beckett diesen Wunsch in The Lost Ones aus. Nur wie es für Beckett typisch ist, womit er vielleicht zum authentischsten Schreiber des 20. Jahrhunderts wurde, ist die Begegnung mit seinem verlorenen Anderen von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Aber über Beckett will ich ein anderes Mal sprechen.)
III.
Eine weitere Formulierung - und die damit zusammenhängende Szene, die mich nicht mehr losgelassen hat, ist jene, auf die der Titel der deutschen (und amerikanischen) Ausgabe zurückgeht: Wind, Sand und Sterne.
Saint-Exupéry beschreibt eine Nacht im Aufstandsgebiet in Spanisch-Marokko, wo er sich mit sechs Kameraden eingefunden hatte, weil das erste Flugzeug hatte notlanden müssen, das zur Rettung geeilte zweite nach seiner Landung aus technischen Gründen nicht mehr hatte starten können, sodass sich noch der Autor eingefunden hatte, um beide zu retten, aufgrund der beginnenden Nacht aber auf das Licht des nächsten Morgens hatte warten müssen, um die nötigen Reparaturen auszuführen und zurückzukehren. »Um keinen Preis der Welt«, schreibt der Autor, würde er diese Nacht missen wollen.
Aber im Aufstandsgebiet lief man Gefahr, von den Mauretaniern getötet zu werden und so begannen sie eine »Nachtwache, die leicht unsere letzte sein konnte.« (S. 39) Sie richteten es sich also ein, so gut es ging, und versuchten, keine Lichtsignale nach außen dringen zu lassen. »Und bis heute weiß ich nicht, was dieser Nacht eine solche Weihnachtsstimmung gab.« Vielleicht war es gerade das Ausgesetzsein, die Einfachheit der Wüste, die Stille, die Dunkelheit, die Konfrontation mit der eigenen Begrenztheit inmitten einer empfundenen Weite, die keine Grenze kennt? Man hätte auch einfach nur Angst und Grauen empfinden können, oder? Stattdessen beschreibt der Autor es wie folgt:
»Wir genossen dieselbe leicht gehobene Stimmung wie mitten in einem wohlvorbereiteten Fest. Dabei waren wir unendlich arm. Wir besaßen nur Wind, Sand und Sterne. … Und doch teilten auf dieser schlechtbeleuchteten Fläche sieben Menschen, die nichts besaßen als die Erinnerungen, unsichtbare Schätze untereinander aus..« (S. 40)
Wir können es nicht wissen, aber wahrscheinlich haben alle sieben das Erlebnis so empfunden. Es war wohl keine Halluzination Saint-Exupérys, sondern ein wahrhaft geteiltes Erlebnis einer Gemeinschaftsbildung. Und aus dieser Gemeinschaft ging das hohe Gefühl eines Festes hervor. Aber die Gemeinschaft hatte sich nur bilden können im Angesicht der Gefahr und ohne die Möglichkeit der Ablenkung:
»In dieser Stunde fanden wir uns. Man geht so lange Zeit nebeneinander her, jeder in seinem Schweigen befangen, oder man wechselt Worte, denen man nichts mitgibt. Da kommt die Stunde der Gefahr, man sucht Schulterfühlung und entdeckt, dass man zusammengehört. Diese Entdeckung anderer bewusster Wesenheiten weitet den Menschen. Man sieht sich an mit lächelndem Verstehen. Es ist einem zumute wie dem befreiten Gefangenen, der staunend die Unendlichkeit des Meeres erkennt.« (ebd.)
Ich möchte den einen Satz noch einmal wiederholen, weil er mir so überaus bedeutsam erscheint: »Diese Entdeckung anderer bewusster Wesenheiten weitet den Menschen.« Und aus irgendeinem bestimmten Grund assoziiere ich damit den Satz aus dem Johannesprolog: »Aus seiner Fülle haben wir ja alle empfangen, Gnade um Gnade.« Und eine Meditation, die Rudolf Steiner einem Freund eines Selbstmörders für diesen gegeben hat, endet mit den Worten: »Werde weiter.« Die gelingende Verbindung zu dem Anderen weitet den Menschen, nimmt ihm die Enge und die Angst, nimmt ihm das Gefühl der Einsamkeit und Verlassenheit, macht ihn erst wirklich zu einem wahren Teil der Welt.
IV.
»Dabei waren wir unendlich arm. Wir besaßen nur Wind, Sand und Sterne.«
Irre ich mich sehr, wenn ich denke, dass dies doch die ganz allgemeine conditio humana ist? Sind wir denn nicht alle unendlich arm. (»Arm im Geiste«, »Bettler um Geist«?) Und ist der literarische Trick des genialen Autors nicht, dass Wind, Sand und Sterne zu besitzen schon sehr viel wäre?
Und könnte man nicht spekulieren, der Sand stehe für die Erde, der Wind für die Luft, den Hauch, d.h. die Seele, und die Sterne für den Geist? Wer all dies besitzt, ist wahrhaftig reich. Und doch unendlich arm. Irgendwo habe ich gelesen, dass man große Wahrheiten daran erkenne, dass ihr Gegenteil ebenfalls wahr sei.
Wer weiß?
»Aus seiner Fülle haben wir ja alle empfangen, Gnade um Gnade.«
V.
Saint-Exupéry liebte seine Kameraden sehr. In Der kleine Prinz lässt er sowohl den Fuchs über die Freundschaft sprechen…
»Man kennt nur die Dinge, die man zähmt. … Die Menschen haben keine Zeit mehr, irgend etwas kennenzulernen. Sie kaufen sich alles fertig in den Geschäften. Aber da es keine Kaufläden für Freunde gibt, haben die Leute keine Freunde mehr. Wenn du einen Freund willst, so zähme mich!«
… als auch den Erzähler reflektieren, wie es wäre, einen Freund zu vergessen:
»Wenn ich hier versuche, ihn [den kleinen Prinzen] zu beschreiben, so tue ich das, um ihn nicht zu vergessen. Es ist traurig, einen Freund zu vergessen. Nicht jeder hat einen Freund gehabt. Und ich könnte wie die großen Leute werden, die sich nur für Ziffern interessieren…«
Gemeinsam ist den beiden Stellen, die - um mich zu wiederholen - wie so vieles bei Saint-Exupéry mit ihrer pathetischen Ernsthaftigkeit bestechen, der Gedanke, dass Freundschaft ein seltenes und kostbares Gut ist, nicht leicht zu erlangen und »vom baldigen Entschwinden bedroht.«
Und das erinnert mich an ein Theaterstück, dass ich einmal in Heidelberg sah, über den französischen Chansonnier Jaques Brel. Ich habe kein einziges Lied mehr im Ohr, ich weiß nichts mehr über sein Leben. Aber an einer Stelle philosophierte Brel - oder der ihn darstellende Schauspieler - über die Liebe und wie selten sie sei und wie glücklich man sich schätzen könnte, wenn man sie fände. Um dann zum Gedanken überzugehen, Freundschaft sei ja noch seltener als wahre Liebe.
»Nicht jeder hat einen Freund gehabt.« Das stimmt wohl, und ist das nicht unendlich traurig?
VI.
Warum ich mir aber eigentlich diese Ausschweifung erlaubte: Saint-Exupéry liebte seine Kameraden, und manche waren wohl auch echte Freunde, das heißt, er war gesegnet. Léon Werth, dem »als er noch ein Junge war« Der kleine Prinz gewidmet ist, wird einer davon gewesen sein. Ein anderer sein Fliegerkollege Henri Guillaumet, dem er ein mächtiges Denkmal in Wind, Sand und Sterne gesetzt hat und dem das Buch auch gewidmet ist.
»Guillaumet, jetzt muss ich einige Worte über dich sagen!«
So beginnt ein gewaltiger Abschnitt - direkt nach der eben bewegten Szene in Spanisch-Marokko. Und gehe ich fehl, wenn ich damit den Anruf einer Muse assoziiere: »Sage mir, Muse, die Thaten des vielgewanderten Mannes, …« (Odyssee)?
»Aber ich will dich nicht bedrücken, indem ich lange bei deinem Mut und bei deiner Berufstüchtigkeit verweile. Ich will etwas ganz anderes veranschaulichen, will von deinem schönsten Abenteuer erzählen.« (S. 41)
Guillaumet war bei einem Flug über die Anden im Winter verschwunden. Seit 50 Stunden. Sie suchten fünf Tage lang nach ihm. Sie fanden ihn nicht. Sie halten ihn für tot, suchen aber weiter, ohne Hoffnung: »da meinte ich weniger, Guillaumet zu suchen als ihm im tiefen Schweigen eines Schneedomes die Totenwache zu halten.« Und dann, am siebten Tag, plötzlich die Nachricht »Guillaumet lebt!«
Er hatte den Absturz seiner Maschine überlebt und hatte sich fünf Tage lang durch die Wildnis der Anden geschlagen, um zur Zivilisation zurückzukehren. Die Details dieser Geschichte sind abenteuerlich, vor allem auch bewegend und beeindruckend, und wunderschön geschrieben; sie seien dem geneigten Leser zur Lektüre empfohlen.
VII.
Eine Episode aus Guillaumets Abenteuer will ich aber doch hier wiedergeben, denn diese ist mir damals so sehr durch Mark und Bein gegangen, dass - so muss ich es einmal ausdrücken - sich gefühlt mein ganzes Leben allein schon deshalb gelohnt hat, weil ich diese wenigen Absätze lesen durfte. Das war es bereits wert. Aber natürlich habe ich darüber hinaus weitere Gnade um Gnade empfangen…
Nachdem er drei Tage gegangen war, »gab er es auf« - »Es genügt ja, die Augen zufallen zu lassen, um Frieden fürs Leben zu schließen, um die Felsen, das Eis und den Schnee aus der Welt zu schaffen.« -
»Sogar das Gewissen sprach leiser. Unsere Rufe erreichten ihn nicht mehr; es wurden Traumrufe aus ihnen. Beseligt folgte er ihnen in einem Traummarsch mit langen, leichten Schritten ohne alle Mühe, wie man im Flachland geht. Spielend leicht ging es über die Welt hin, die plötzlich so freundlich für ihn war. Kamerad Guillaumet, da wolltest du uns deine Wiederkehr versagen! Aber aus den Hintergründen des Gewissens kam plötzlich die Reue. Klare Bilder mischten sich in den Traum: ›Ich dachte an meine Frau. Die Lebensversicherung schützte sie vor Not. Die Lebensversicherung aber…’
Ein Vermisster wird erst nach vier Jahren für tot erklärt! Dieser Satz verdrängte mit einschneidender Schärfe alle übrigen Bilder. Plötzlich wusste er wieder, dass er flach auf einem steilen Schneehang lag. Seine Leiche würde im Sommer mit dem schmelzenden Schnee in einer der vielen tausend Klüfte der Anden verschwinden. Aber er wusste auch, dass fünfzig Meter vor ihm ein Fels aus dem Schnee aufragte.
›Da habe ich gedacht: Wenn ich aufstehe, komme ich vielleicht so weit, und dann hänge ich mich über den Stein, und im Sommer werde ich dann gefunden.‹ Nachdem er aufgestanden war, ging er noch zwei Tage und drei Nächte.«
Diese Verknüpfung: dass die Verantwortung gegenüber seiner Frau ihn dazu brachte, doch noch weiter zu gehen, und dass er dann deswegen überlebte, was für seine Frau unendlich viel besser noch war, als nur die Lebensversicherung, das ist Schönheit! Das ist poetische Schönheit. Man müsste es erfinden, wenn es nicht passiert wäre…
VIII.
Ich habe nun viel über die Verbindung zu anderen Menschen ausgeführt, wie Saint-Exupéry sie in seinem Werk darstellt. Abschließend, und auch um nicht mit gewaltigstem Pathos zu schließen, möchte ich auf die Stille eingehen, die andächtige Stille, die ebenfalls immer wieder eine Hauptrolle spielt.
Auch hier gibt es eine Parallele zum Kleinen Prinzen. Dort findet sich ganz am Ende, auf den letzten beiden Seiten, eine ganz schlichte Zeichnung: zwei Striche stellen die Wüste dar, darüber ein fünfzackiger Stern. Das ist alles. Dazu der Satz: »Das ist für mich die schönste und traurigste Landschaft der Welt.«
In Wind, Sand und Sterne beschreibt Saint-Exupéry hingegen, wie er am Rande der Sahara einmal auf einem Tafelberg landete, um dort jemanden abzusetzten. Es stellte sich heraus, dass vom Plateau des Berges aber kein Weg herunterführte, somit auch keiner hinauf. Und dem Autor wird klar, dass er sich auf vollkommen jungfräulichem Boden befindet:
»Auf diesem Block, der, wie eine Eisscholle, solange er steht, keinen Grashalm hervorgebracht hat, war ich wie ein vom Winde verwehtes Samenkorn, der erste Zeuge des Lebens.« (S. 88)
Sein Blick geht, wie kann es anders sein in einer solchen Szenerie, zum Himmel, zu den Sternen: »Schon leuchtete ein Stern, und ich sah ihn an.« Und ihm kommt der Gedanke, dass der weiße Tafelberg wie ein »fleckenloses Tuch unter den reinen Himmel gebreitet« ist, seit »Hunderttausenden von Jahren«.
»Da durchfuhr es mich wie einen Forscher im Augenblick einer großen Entdeckung: ich sah auf diesem Tuch kaum zwanzig Meter von mir einen schwarzen Kiesel … ein harter, schwarzer Stein von Faustgröße, schwer wie Metall und tropfenförmig … Kein Meteor hatte je so eindeutig seine Herkunft dargetan wie dieser schwarze Stein.«
Und er sucht und findet weitere Meteoriten:
»Meine Felstafel war wie ein Niederschlagsmesser für fallende Sterne. Ich erlebte so gleichsam eine packende Zeitrafferaufnahme des langsamen Feuerregens, der aus dem Weltraum auf die Erde niedergeht.«
Dieses Bild ist eigentlich ausreichend kraftvoll. Die weiße Ebene, der gefallene Stern darauf, der Himmel darüber, bei Nacht, inmitten der ewigen Wüste. Doch Saint-Exupéry verweilt nicht, niemals, beim Erhabenen der Natur an sich. Die Welt ist nur bedeutsam in der Erfahrung des Menschen, und nur insofern sie ihm etwas bedeutet:
»Das Wunderbarste war aber doch, dass auf dem runden Rücken unseres Sterns zwischen diesem magnetischen Tuch und den Gestirnen ein menschliches Bewusstsein lebte, in dem dieser Regen sich spiegeln konnte.«
Coda
Wenn ich noch einmal lese, was ich geschrieben habe, wird mir bewusst, dass vom Buch ein falsches Bild entstehen könnte, weil meine Erinnerungen sehr selektiv waren. Dies sind die Szenen gewesen, die mich bewegt oder sogar erschüttert haben, als ich das Buch zum ersten Mal las. Bei der erneuten Lektüre des Buches ist mir bewusst geworden, dass ein großer Anteil des Buches einem anderen Thema gewidmet ist: dem Fliegen als echtem Wagnis, das es in der aktiven Zeit des Autors (1926-44) war. Dieser Anteil ist als Zeugnis einer ganz bestimmten Zeit höchst interessant, mitreißend, unterhaltsam. Er interessiert mich heute deutlich stärker als damals. Aber er scheint mir dem, worüber der Autor reden will, als unwesentliches Vehikel zu dienen. Man kann - könnte - darum über das Buch, über den Genius des Buches sprechen, ohne das Fliegen überhaupt zu erwähnen. Und dieses eigentliche Thema ist die conditio humana und ist zeitlos.
Sehr schöner Text. Das Buch Wind, Sand und Sterne hat mir früher mal auch sehr gefallen, nicht zuletzt weil der Autor kein Schriftsteller Schriftsteller war, also keiner, der nur schreibt, sondern ein Flieger
erster